Im Leben der Protagonisten der Fiesta brava müssen und werden manchmal Entscheidungen getroffen, deren Folgen für die Zukunft nicht absehbar sind, beziehungsweise zukunftsweisend sind. Viele Novilleros werden am Anfang ihrer Karriere von der eigenen Familie gefördert, so weit diese es sich leisten kann. Jorge Exposito ist einer der jungen Talente, welche in der letzten Saison einen der bedeutendsten Wettbewerbe für sich entscheiden konnte, der beste Novillero der Feria von Algemesi. Gelenkt wurde seine Karriere von Rafael Valencia, der sich nun von Exposito getrennt hat. Begründet hat er diese Entscheidung damit, das er nicht so viel Zeit in die Karriere des jungen Mannes investieren könne, wie es nötig wäre... Er müsse sich nun um Geschäft und Familie kümmern. Wie sollen wir , als Laien, das verstehen? Was macht einen Novillero ‘Zeit raubend’? Morgens sollte er ein paar Kilometer laufen und dann ‘Toreo de salon’ praktizieren. Dort sollte man als Apoderado auftauchen und sich passiv oder praktisch einbringen. Der Vormittag ist rum. Nach dem Essen und einer Siesta geht es oft ins Fitnesscenter, oder wenn man Verbindungen hat ins Campo, auch hier ist der Tag schnell rum. (Foto Tentadero con Eloy Hilario) Ein angehender Torero sollte sich auch Corridas ansehen, im TV oder live, auch da sollte man, als Förderer schon mal anwesend sein. Ein Torero macht und kann nichts anders, als sich aufs torerieren zu konzentrieren. Der Manager regelt Post, Webside, soziale Netzwerke. Er rennt sich, wenn er nicht einer der ‘Großen’ ist, die Hacken ab, um seinen Schützling irgendwo unter zu bringen. Tentaderos, Festejos, Novilladas all dies zu erreichen ist ein Zeit raubendes Unterfangen. Und dann bezahlt man noch dafür... Seltenst wird ein junger Torero so einfach eingeladen, es sei denn, man hat Beziehungen oder das entsprechende Kleingeld. Für das sorgt auch der Apoderado. Exposito hatte in der letzten Saison einige Erfolge, neben Algemesi, aber insgesamt nur 15 Novilladas. Das ist recht wenig, gemessen an seinem Talent. Wenn Jorge Exposito nun einen anderen Apoderado findet und in den kommenden Jahren zu den führenden Toreros gehören sollte, wird sich sein ehemaliger Förderer gewiss ärgern, dieses Talent aufgegeben zu haben. Schauen wir wohin sein Weg in die Zukunft führt...(Foto J.Exposito) Eine andere Entscheidung traf vor Jahren ein Ganadero aus dem Raum Sevilla. Hatte sein Vater noch Stiere der Abstammung Santa Coloma gezüchtet, stellte sein Sohn, binnen eines Jahres, auf Jandilla um, Encaste Domecq. Was war der Grund für diese Entscheidung? Befreundet mit der Familie Domecq, müsste er den Unterschied bei den Tentaderos und auch beim Manövrieren der Rinder bemerkt haben. Er bekannte ehrlich, das sie „bequemer“ sind, die Domecqs. Wer, wie Unsereins, wenig von Ackerbau und Viehzucht weiß, kann sich darunter wenig vorstellen. In den Tentaderos, wo die jungen Rinder auf ihre Zuchttauglichkeit geprüft werden, verhalten sich die Santa Colomas meist nach den ersten Zusammenstößen mit dem Pferd anders, sie warten ab, rennen nicht mehr blind drauflos. Sie lernen schnell. Das macht sie unbequem, für den Torero und erleichtert die Zuchtauswahl für den Züchter wenig, es sei denn er ist ein Kenner, wie die „Don’s“, Eduardo Miura, Victorino Martin, Carlos Nunez oder Juan Pedro Domecq. Auch im Umgang sind die domecqschen Nachkommen einfacher zu managen. Sie sind weniger ‘Kitzelig’, als die Santa Colomas, die beim Überschreiten ihrer Sichheitsabstände, schnell mal auf Pferd , Mensch und Wagen losgehen, sie messen in Zentimetern. So lassen sich die Tiere, weniger angriffslustig, besser von einer Weide zur anderen treiben, beim Morgenlauf trainieren . Sie folgen den Regeln anstandsloser. Auch in den Tentaderos lassen sich die Unterschiede von Tier zu Tier leichter unterscheiden, entweder das Kalb greift an, oder eben nicht. Überraschungen, wie bei den Santa Colomas, erwartet man von den Jandillas der domecqschen Zucht weniger. Auch hier punktet der Bequemlichkeitsfaktor . Und auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle. An einem Morgen kann man mehr ‘gefügige’ Rinder umweiden, oder im Tentadero testen, als mit rebellischen Tieren. Ein anderer Faktor, der in der Sendung Tendido Cero in dieser Reportage nicht zur Sprache kam, dürfte einer der wichtigsten sein. Die Futter und Tierarztkosten. Ein Tier, egal ob Hund Pferd oder Rind, der ‘nervöseren’ Rasse, verbraucht mehr Energie, also auch mehr Futter. Ich schätze das ein Tier der domecqschen Zuchtlinie 10-20% weniger Futter braucht, um auf das gleiche Gewicht zu kommen. Auch verlaufen die Wachstumsschübe anders, junge Stiere wirken mit drei Jahren teilweise erwachsener, als ihre, meist grauen Artgenossen. So hat sich dieser sevillanische Züchter also auf eine leichter zu haltende Blutlinie verlegt, die obendrein der Mode entspricht. Nie war die Kunst des Stierkampfes so weit, wie sie heute ist, mit so viel Technik des Toreros und den maßgeschneiderten Stieren, die Technik und Kunst offenbart. Was mir fehlt, ist der Stier, der Toro bravo, der den Torero fordert... (Foto oben Toro de Santa Coloma, unten Jandilla)
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COLINColin C. Ernst, geb. in Deutschland, lebt in Spanien. Aficionada practica. Ehemalige freie Mitarbeiterin der Ganaderia Victorino |