Was veranlasst den Torero, gelegentlich recht früh, zum Tötungsdegen greifen. Warum bleibt der Stier manchmal einfach stehen und rührt
sich nicht mehr?
Eine interessante Frage.
Nachdem die beiden, Toro und Torero, sich im ersten Tercio einer Corrida kennengelernt haben, schätzt jeder seinen Gegner ein. Der Stier orientiert sich an den Bewegungen, der Distanz und dem Geruch. Der Torero hat herausgefunden, welches die Lieblingsseite
in den Wendungen ist und kennt nun das bevorzugte Horn und weiß, wie nah er der ungebremsten Kraft des Tieres kommen darf. Normalerweise sind die Stiere im ersten und zweiten Akt eher impulsiv, als abwartend. Nun aber, im dritten Tercio mit der Muleta, sind einige schon ganz schön außer Puste. Der Stier beginnt seine Kräfte
einzuteilen. Mitunter kann der Matador das Tier noch ein, zweimal aus langer Distanz anlocken, zitieren, dann aber scheiden sich die Geister. Die einen Stiere, suchen ihr Heil in der Flucht und ziehen sich an die Tablas, die Bande zurück. Die anderen lassen sich nur noch auf kurze Distanzen auf das lockende Tuch ein. Und ganz schlaue haben jetzt schon erkannt, das hinter dem Stoff der Gegner lauert. Daraus ergeben sich drei verschiedene
Varianten.
einigen Pases zu bewegen. Das sieht aneinander gestückelt aus, wenig harmonisch, nicht fließend. Pega pases, sagt man dazu. Dieses Tier ist erschöpft, außer Atem und muss sich mit jedem Schritt nach vorne kämpfen. Irgendwann gibt es auf. Nach Luft ringend steht es da. Ein erfahrener Torero hat die ersten Anzeichen bemerkt, und ihm zwischen den Suertes etwas Ruhe gegönnt. Hat dies aber nicht geholfen, ist die Vorstellung bald zu Ende. Mit dem äußersten Zipfel der Muleta, vor dem äußeren Auge des Stieres, verfolgt er nun die Reaktionen des Tieres. Bewegt dieser nur leicht den Kopf in die Richtung,
welche die Muleta weist, ist noch nicht alles verloren, steht er aber nur auf einem Fleck, bewegt die Hörner aber zum Torero hin, kann es gefährlich werden – die Ruhe vor dem letzten Angriff. Die Antrittsgeschwindigkeit dieser Tiere ist enorm schnell. Der scheinbar erschöpfte Toro hat sich vielleicht die Zeit genommen, zwischen dem Tuch und dem Menschen zu unterscheiden.
andere, erkennen, das es einen Unterschied gibt, das er es mit zwei Teilen zu tun hat, mit dem weichen Tuch und diesem anderen Gegenstand daneben. Vielleicht riecht er den Unterschied, denn sein Sehvermögen ist nicht besonders gut. Nachdem er sich eine Zeit von der Muleta hat narren lassen, folgt er nun nicht mehr brav der Hand des Toreros, sondern drängt nach innen und sucht mit dem Horn nach dem Gegenstand. Das Horn eines Stieres ist kein lebloses Ding, ähnlich, wie die Schnurrhaare einer Katze (Natürlich nicht so hochsensibel) Aber damit kann er recht genau treffen, das hat er im Campo gelernt. Und im Kampf mit seinen Artgenossen. Er kann mit ihm die Distanz abschätzen, eine Mücke in seinem Fell zerdrücken, punktgenau mit der Spitze
unsichtbare Grenzlinie. Nun hat das Tier die unmittelbare Nähe gespürt und schon ist es passiert. Das Horn trifft endlich auf festen Gegenstand und der Toro kennt nun keine Gnade und versucht nun seinem Gegner den Gar aus zu machen. Cogidas, Volteretas und
Cornadas sind die Folgen. Ein erfahrener Matador erkennt den Moment, erlaubt sich einen letzten Muletaschwung und holt den Degen. Täte er es nicht, wäre er kein Maestro. Toreros, wie Enrique Ponce, haben einen siebten Sinn für solche Situationen, wie ich sie geschildert habe. Er weiß um den Moment wo das Tier sich für eine der drei Verhaltensvarianten entschieden hat und reagiert entsprechend. Selten holt Ponce frühzeitig den Degen, nur wenn er sieht, das dieses Exemplar zu kraftlos ist um mit der Lidia fort zu fahren, oder wenn das Tier ihm eindeutig nach dem Leben trachtet. Dann
ist er nicht mehr mit dem roten Tuch zu täuschen.
Zwei Leserinen erzählten mir, das sie in Nimes etwas ähnliches erlebten. Der Stier sollte eigentlich zurück in den Coral, der Ersatzstier stand schon bereit, aber El Juli winkte ab und arbeite weiter an diesem Toro. Das Ergebnis : Zwei Orejas! Ich hoffe ich konnte auf diesem Wege zum besseren Verständnis für Stier und Torero beitragen.