An diesem Wochenende hatte ich das Vergnügen zwei meiner Kollegen der Aficionados practicos von Sanlucar zu einem Tentadero für Aficionados zu begleiten. Zum ersten Mal ohne unseren Lehrer, verspürte ich eine gewisse Verantwortung für meinen Freund Jesus, der nicht nur wesentlich älter, sondern auch sehr untrainiert für dieses Abenteuer war. Feiertagsessen, Trainingsausfälle darf man nicht unterschätzen, selbst wenn man schon viele Tentaderos hinter sich hat. Schließlich sind Aficionados keine professionellen Toreos. Nach einer schlaflosen Nacht ging es, am frühen Morgen, Richtung Aroche, Huelva zur Ganaderia Arucci (Ganadero Miguel Ángel González). Ich war bereit den Part eines Banderilleros notfalls zu übernehmen, was heißt, die Vaquita mit der Capa von dem „Torero“ weg zu locken.
Es hatte geregnet und in der Mitte befand sich ein rutschiger ‘See’. Zusammen mit dem Organisator, Jose Mari Ramos, beschloss man, die jungen Kühe zunachst mit der Capa dort in Empfang zu nehmen, sie ein paar Runden drehen zu lassen um sie etwas zu ermüden. Danach sollte das Tor zum ‘Campo abierto’, einer großen Wiese, geöffnet werden, wo die Aspiranten sich mit der Muleta präsentieren sollten.
Auch hier sah ich mir den Boden an. Relativ trocken, aber mit Steinen und Unebenheiten in einigen Zonen, Ecken in den umsäumenden Mauern, ohne Burladero... Ein gewagtes Unternehmen für ‘Hobbytoreros’. Ich wies meinen Freund darauf hin, zeigte ihm, wo er mit seinen hübschen, glattbesohlten Stiefeln auf sicherem Boden treffen würde.
Unter zahlreichen Vaquitas suchte sich jede Gruppe ihr Tier aus und bestimmte die Reihenfolge der ‘Auftritte’. Ein wenig wie bei den ‘Großen’ - das Sorteo.
Einige der Aspiranten kamen nicht zum ‘Sorteo’, sie bevorzugten es, sich der jungen Kuh zu stellen, ohne sie zuvor gesehen zu haben. Zunächst hat mich das überrascht, aber ich glaube das ich dies auch vorziehe, denn man kann es schon mit der Angst zu tun bekommen, wenn man weiß, dass das Tierchen groß ist und ausladenden Hörner hat.
Außer Jose Antonio, mit dem ich ein paar Mal trainiert hatte, kannte ich keinen der Anwesenden. Also behielt ich die Capa in der Hand, um notfalls einzuspringen. Die Gruppe aus Malaga war die Erste und alle Teilnehmer verteilten sich auf die Burladeros. So hatte ich Gelegenheit, mich davon zu überzeugen, das alle über Erfahrung verfügten, notfalls einen Quite auszuführen, um die Kollegen vor der Vaquita ‘zu retten’, wenn es erfoderlich war.
Das sie die Lust verlor und sich ‘verschanzte’ überraschte mich nicht. Ich hatte mich schlau gemacht, die Ganaderia basierte auf Nunez de Cuvillo und Domecq. Wenn man diese Tiere hart behandelt, machen sie nicht mehr mit, verteidigen sich nur noch. Hat man aber ein sensibles Händchen, folgen sie der Muleta wie ein braves Schaf.
In diesem Fall suchte die junge Kuh die riesige Pfütze in der Mitte der Plaza auf. Als ob sie wüsste, das keiner bereit war, sich auf dem rutschigen Boden nasse Füße zu holen, stand sie dort seelenruhig. Einer von den Sevillanos war dann bereit sich Stiefel und Capa schmutzig zu machen und lockte sie so wieder aus ihrer Querencia, ihrem Schutzraum. Das Spiel wiederholte sich mehrmals, Dank der Unerfahrenheit der Teilnehmer. So lockte man sie am Ende ins ‘Campo abierto’. Wo sie sich an der Mauer verschanzte und keiner sie weglocken konnte, mangels Erfahrung. Dieses junge Tier hatte in ein paar Minuten mehr über die Menschen gelernt, als der Mensch über sich selbst in seinem Leben. Ich war beeindruckt - von der Vaquilla.
Ein paar Runden ließen sie die junge Kuh drehen, ein paar Capotazos wurden angebracht. Zu wenig um dieses gute Tier müde zu machen. Schon den ersten Hobbytorero ließ sie im Regen stehen, weil sie viel zu schnell reagierte. Als Jesus an der Reihe war, passierte, was passieren musste.
Die Muleta kaum ausgebreitet, erwischte sie ihn frontal. Die Kollegen machten den Quite schnell. Nichts war passiert. Der zweite Versuch, das gleiche Ergebnis. Nicht schnell genug reagiert, schlecht positioniert und schon war das kleine Biest zur Stelle. Ich übernahm die Stelle eines Mozos de espada, reiche Handtuch und Wasser, besorgt, das diese zwei Volteretas hätten Folgen haben können. Aber der Boden war weich, Jesus hatte sich, am Boden liegend gut verteidigt und in die Hörner gegriffen, damit sie kein Ziel fanden. Die ‘Traje’ war voller Sclamm, das Gesicht etwas bleich, aber „No pasa nada“ - Es war nichts passiert.
Im Campo nahm sich Jose Antonio ihrer an, mit besserem Ergebnis und dies animierte Jesus, es noch einmal zu versuchen. Diesmal gelangen ihm einige schöne Pases. Angeschlagen, aber glücklich, nahm er den Aplauss der Mitstreiter in Empfang.
Sie hatten ihren Lehrer zur Seite, was ihnen Sicherheit gab. Einer von Ihnen war etwas ängstlich, aber Dank der Anweisungen konnte er sich der Aufgabe stellen, mit respktablen Ergebnis. Einer von dieser Gruppe stach mir ins Auge, er hatte sich mir vorgestellt: Jairo. Gekleidet wie Morante, mit buntem Hemd und Chaps, zeigte er, das auch ein Aficionado Kunst produzieren kann. Mit Capa und Muleta sah er einem Profi recht ähnlich, sogar die Zigarre fehlte nicht. Eine ‘Figura’ unter uns Aficionados.
Für die gut sechzehn 'Hobbytoreros', die sich nicht kannten, war dies sehr wertvoll und war gut koordiniert.
Mein Lob nicht nur für die Qualität der Vaquitas, sondern auch für Jose Maria Ramos, der jederzeit das Heft in der Hand hatte. Gut seine Einschätzung der jeweiligen Aspiranten ob ihrer Möglichkeiten, korrigierte er auch schon Mal die Distanzen. Für uns alle war dies ein richtiges Abenteuer.
Sehr interessant zu sehen, wie sich die jungen Kühe im Campo abierto verhielten, das sagt viel über aus über diese Rasse. Im offenen Gelände hätten sie flüchten können. Aber bis auf die Erste, nahm keine diese Möglichkeit in Anspruch. Ganz im Gegenteil. Ließen die Aspiranten ihnen Raum und Zeit, sich etwas zu erholen, reagierten sie aufmerksam und schnell auf jeden der sich bewegte und griffen ohne großes Zögern an, anstatt sich aus dem Staub zu machen.
Alle Teilnehmer verließen die Ganaderia sehr zufrieden. Natürlich blieb man noch ein Weilchen, um in fröhlicher Runde über das Erlebte zu plaudern und neue Freunschaften zu besiegeln. Für alle hatte sich der zeitliche und finanzielle Aufwand gelohnt. Ein besonderes Detail für mich, war der Anruf des Veranstalters am Abend. Er wollte wissen ob wir gut nach Hause gekommen waren und ob mit meinem Aficionadofreund Jesus alles in Ortnung wäre, nach den Zusammenstößen mit der Vaquita. Erfreulich, das sich Jose Maria nicht nur für den erfolgreichen Teil interessiert, sondern sich auch um das Wohl der Teilnehmer sorgt.
Seine nächste Veranstaltung findet im März statt. Etwas Besonderes.
Man kann einen Tag mit Fran Rivera „Paquirri“ im Campo verbringen. Er wird persönlich die Gäste durch die Finca führen, eine Unterrichtsstunde im Toreo de Salon geben und auch ein Tentadero steht auf dem Programm. Wer sich dafür interessiert kann gerne Kontakt mit mir aufnehmen: [email protected]