Egal wie dornig und dicht das Gestüpp ist, mit einem Ziel vor Augen habe ich am Ende meine Ziele erreicht. Was nicht heißt das am Ende der Triumph oder der Reichtum auf mich wartet, sondern nach viel Arbeit, die Befriedigung, dort zu sein, wo ich sein wollte.
In diesem Fall im Campo, bei einem Tentadero. Erschwert durch die Reisebeschreänkungen welche uns die Regierung und der Toro Covid 19 auferlegt, schien es ein Ding der Unmöglichkeit. Aber ich ließ nichts unversucht. Hatte ich doch im geplanten fünfmonatigen Aufendhalt noch keinen Tentadero, keine Ganaderia gesehen, anders als in den vergangenen Jahren.
Als Aficionado practico findet man kaum Gehör bei den Ganaderos, oder sie verlangen absurde Preise für die Bravura einer Becerra. Und man kann ja auch nicht weit reisen, muss in der Provinz bleiben. Und im Auto darf man nur zu Zweit fahren, mit Maske natürlich. Auf Einladung des Ganaderos, welcher einem ein Schriftstück schicken muss, welches man im Fall der Fälle der Polizeikontrolle vorweisen muss. Abgesehen davon, das ich ja ein ‘Don Niemand’ bin, war ich es auch leid, die ewigen Versprechungen einiger Toreros zu glauben, das man, in ferner oder naher Zukunft mit ins Campo darf.
Eine dezente Anfrage bei einem Freund und ‘Sabio’ der intimen Welt des Toreo, brachte mich meinem Ziel weiter. Normaler Weise, hätte ich diesen wertvollen Kontakt nicht belästigt, aber Fragen kostet ja nichts. Und ich hatte unglaubliches Glück. Dieser ‘Kontakt’, setzte sich mit einem Insider, einem ‘Einkäufer’, einem Mann in Verbindung, dessen Freundschaft er genießt.
Dieser Mann, ein 'Veedor', bewegt sich in den Ganaderias, um Stiere für Figuras, Ferias und Tentaderos zu sichten und zu reserviernen. Um meinem Wunsch nach Campo und Tentadero Gewicht zu verleihen, wurde ich zum zweiten Mal in meinem Leben, zum ‘Apoderado’, dieses mal der eines Matador de Toros. Triumfador in den wichtigsten Ferias seines Landes, Figura und mein Freund. Der Califa de Aragua.
Dieser wollte sich neben seiner Karriere als Fotorgafo taurino, auf eine mögliche Rückkehr in die Ruedos in Südamerika und seiner Heimat, Venezuela, vorbereiten, hatte aber auch so seine Probleme. Aber als ‘Apoderado’ eines Matadores öffneten sich die Tore für mich, und als Matador mit ‘Apoderado’ ebenso für ihn. Hatte ich zunächst einen Novillo einer Ganaderia dura zurückgewiesen, da man nach 9 Wochen ohne richtiges Training nicht von Null auf Hundert losgeht, bekamen wir nun einen adecuaden Eral in Cebada Gago angeboten. Nun musste die Anreise organisiert werden, denn ohne das Tier in Augenschein zu nehmen, wollte ich als ‘guter Apoderado’ meinen Torero nicht einem Risiko aussetzen. Und so ging es endlich ins Campo... Wo kein Weg ist, machte ich mir einen!
Ein Tierarzt untersuchte die Stuten der Ganaderia auf ihre Trächtigkeit. Pferde, mein Metier. Ich sah einige sehr vielversprechende Fohlen an der Seite ihrer Mütter, mit Freude erinnerte ich mich an meine Profession und Passion.
Nun kam der Maestro , mit Mario und ich begrüßte ihn etwas schüchtern, mich bedankend, das man mir das ‘Dabeisein’ ermöglichte. Mich im Hintergrund haltend, verfolgte ich nun die Gespräche, bevor es im Jeep auf die nahen Koppeln und großen Pferche in der Nähe ging. Natürlich alle mit den obligatorischen Masken, man geht kein Risiko ein, in der Welt der Stiere.
Noch nie war ich so nah an den gefährlichen Hörnern der imposanten Kolosse vorbei gekommen. Ich konnte sie atmen hören, ihren Atem spüren. Genial. Maestro Marismeno kannte seine Auswahl, suchte gezielt nach dem ‘Castano’ dem braunen, mit der Nummer 54, oder dem ‘Buracco’ mit der Nummer 45. Dabei kommentierte er die Fehler oder Qualitäten der ausgesuchten Toros. Hier lernte ich so einiges. Das Ganze ist wie eine Wissenschaft.
Einige hatten Defekte an den Hörnern, abgebrochene Spitzen zum Beispiel, welche man so nicht mehr an die Plazas verkaufen konnte. Andere waren einfach etwas hässlich, ein Horn zeigte nach oben, das andere nach unten. Andere waren auf Grund ihres Familienstammbaums ausgemustert.
In diesen Zeiten wird noch strikter selektiert, denn die ‘verkauften’ Toros für Pamplona, oder Madrid, u. a. bleiben im Campo. So bekamen wir eine Bandbreite von Jungstieren und ausgewachsenen Toros zu sehen. Wunderbar.
Wir entschieden uns für einen Eral, einen zweijährigen Jungstier, grade recht, um nach mehr als zwei Monaten ‘Sofasitzerei’ wieder zu beginnen.
Mario Coelho hatte bessere Trainingsmöglichkeiten gehabt, als der Califa und ich, mit Garten und Fitnessgeräten, entschied er sich für die Uteros und Novillos, zwischen drei und vier Jahren, welche um einiges größer, schwerer und beeindruckender sind. Einen ausgewachsenen Toro, zwischen vier und fünf Jahren, in der kleinen Plaza de Tienta von Cebada Gago, fand er nicht unbedingt empfehlenswert.
Wir suchen eine der wenigen, geöffneten Gaststätten auf, wo man uns mit Hygienegel empfing, an einen ausreichend separierten Tisch geleitete.
Bei Bierchen, einem ausgezeichneten Schafskäse und Schinkenplatte, fand die ‘Nachlese’ statt.
Nun hatte ich Gelegenheit den bekannten und geschätzten Stiereinkäufer Marismeno besser kennen zu lernen. Da wir einen gemeinsamen Freund haben, fand sich schnell Geprächsstoff . Beide schätzen wir die ‘Feder’ von Santi Ortiz. Über die Misere des Virus und der damit verbundenen Krise der Veranstaltungen um die Toros, gab er einige Anekdoten aus seinem Leben als Matador zum Besten. Wir haben alle Tränen vergossen, vor Lachen.
Auch er hat so eine Plastikmaske, welche das ganze Gesicht abdeckt. Ich kommentierte, das dies so seine Tücken hat in dieser Jahreszeit, mit all den Insekten im Campo. Die Insekten können sich darunter verirren und einen stechen, erklärte ich besorgt, denn genau das war mir passiert. "Die Insekten täten gut daran, das nicht mit ihm zu versuchen, er würde sie lebend fressen". Einen feinen Humor hat er, was aber die Seriösität dieses Mannes nicht ausschließt. Kurzum, ein grandioser Tag, lehrreich und mit einem wunderbaren Abschluss.
Ob ich Maestro Marismeno mal frage ob ich sein ‘Lehrling’ werden kann? Torero kann ich nicht mehr werden, dafür bin ich, bei allem Talent, etwas ‘zu alt’. Als Apoderado habe ich zu wenig Verbindungen und reich genug bin ich auch nicht. Auch als Empresario einer Plaza fehlt es mir an Allem, um die Sache zum Erfolg zu bringen. Aber als Lehrling eines Veedores de Toros..., diese Arbeit wäre mir ein Vergnügen.
Nach Monaten hinter Mauern und Gittern, ist die Weite der Felder etwas Wunderbares. Kilometer von Sonnenblumenfeldern blendeten mich regelrecht. Auf der Finca angekommen, sah ich einen Ibis, der im Wasser nach Würmchen suchte, Kuhreiher, Jagtvögel kreisten über die Felder wo die Toros und Pferde weideten. Der Geruch nach Freiheit und Abenteuer..., mein Gott wie habe ich all das vermisst.
Anhang:
Hier Information und Video des Maestros Marismeno, der übrigends aus Sanlucar stammt, und heute noch dort lebt.
https://es.wikipedia.org/wiki/Marisme%C3%B1o
Video:
https://www.facebook.com/Grupo-Sol-de-Oro-Tauromaquia-803857159961363/videos/el-maestro-julio-vega-marisme%C3%B1o-asesor-grupo-sol-de-oro-/496465664405368/