Kurz vor Beginn der Corrida, mit Juan Padilla, El Fandi und Sebastian Castella, kam ich noch rechtzeitig an, um die gut dreißig-vierzig Leutchen zu bestaunen, die mich mit dem Wort ‘Asesino’ (Mörder) begrüßten. Für diesen traurigen Haufen soll die Fiesta brava auf Mallorca also ‘kastriert’ werden? Ein trauriger Witz. Mehr Polizei als Antis waren zugegen.
Nach dem ich meinen Entrada abgeholt hatte, vergaß ich die gröhlende Bande, beim Anblick der Plaza Real. Sie sieht ein bisschen vernachlässigt aus, die Gute. Kein Wunder, denn sie gehört der gleichen Familie, wie die Monumental von Barcelona: Casa Balana. Aber auch der Gedanke hielt nicht lange, beim Anblick der Alguacilillos und Picadores mit ihren Pferden. Schnell drehte ich noch eine Runde durch die Katakomben der Plaza. Dabei traf ich auf Aficionados aus den USA, Slovenien, und Frankreich. Kurz tauschte man sich aus, dann ging es eilig zu den Rängen. Tatsächlich füllte sich die Plaza zu fast zwei Dritteln, was ein gutes Ergebnis ist, bei den Preisen, für Mallorca und ein nicht unbedingt ansprechendes Cartel.
Die Corrida begann mit einer leichten Verspätung. Der Haudegen Padilla trat als erster an und man merkte das die Menschen in der Plaza voll auf seiner Seite waren. Kaum etwas ließ er aus, was sein Repertroire betrifft. Largas cambiadas de rodilla, Banderillas, auf den Knien mit der Muleta, den Rücken zur Wand. Die Aficionados, darunter viele junge Leute und auch Kinder, forderten energisch das erste Oreja für den Maestro. Und im Palco zierte man sich... Nach gefühlter Ewigkeit zückte man das weiße Tuch.
Überhaupt, war der Mann da oben ein einziges Ärgernis. Bei den ersten Toros zum Beispiel, waren die Tiere noch nicht ganz am Picador angelangt, wechselte er das Tercio. Die Zuschauer um die Quites betrogen, schimpften, ich wunderte mich über diese Eile. Auch El Fandi hat seine Fangemeinde in Palma, die ihn entsprechend mit ‘Ole’ Rufen unterstützten. Sehr eng geführte Chiquelinas erfreuten die Aficionados. Wie Padilla, gelang dem Mann aus Granada eine gute Estocada, die wiederum sehr zögernd mit einem Oreja belohnt wurde. Im Tendido 1 sitzend hatte ich gute Aussichten auf die Toreros und Mozos de Espada. Ich sah einen Sebastian Castella, sehr in sich gekehrt, während Padilla und El Fandi von einem Platz zum anderen wechselten. Ein mal mehr bewunderte ich die Gold und Silber blitzenden Trajes de luces im Scheinwerferlicht. Man kann von Glück sprechen, das dies eine Corrida ‘nocturna’, nächtlich war. Die Hitze machte schon uns leicht bekleideten Zuschauern zu schaffen, die Toreros in den engen Trajes schwitzten ein vielfaches mehr.
Wunderschön mit der Muleta, wo er sich kaum von der Stelle bewegte. Ich bemerkte das auch die Menschen in den Rängen diesen Torero mit anderen Augen betrachteten. Hatte man Padilla und El Fandi mit entusiastischen Ole Rufen unterstützt bekam Castella wirklich lauten Szenenapplaus. Geneigt gleich für zwei Trophäen mein weißes Tüchlein zu schwingen, blieb es am Ende in der Tasche, die Estocada war nicht die Beste, nach einem Pinchazo, leider. Belohnt wurde der Franzose mit einer herzlichen Ovation.
Man kann von den Aficionados, welche Stierkämpfe in Palma besuchen, sagen was man will, aber ich konnte feststellen, das die meisten sachkundig und mit dem Herzen bei der Sache waren. Die ersten drei Toros waren nicht die Besten, etwas schwächlich, zum Teil etwas klein geraten, die Produkte der Ganaderia Marques de Quintanar.
Dieses Exemplar wollte der Maestro gerne schonen, um den Aficionados mit Banderillas und Muleta etwas zeigen zu können. Noch einmal ließ er nun die Capa fliegen, um den Toro zum Perd zu lenken. Der Picador pikste das Tier kaum und alle atmeten auf. Nur der sture Kerl oben in seiner Loge wollte den Stier masakrieren. Padilla bat respektvoll zum zweiten Mal um den Wechsel des Tercios - Der Mann blieb stur. Mit einer sehr unterwürfigen Geste bat Padilla noch einmal um den Wechsel, das Publikum war nun ebenfalls aufgebracht, verstand man doch den Sinn des Spiels nicht. Diesen Stier drei Mal am Pferd, man konnte sich ausrechnen das die Kräfte schnell nachlassen würden, bei einer Lidia a la Padilla. Also noch ein dritter Anlauf, dann war der Spuk vorbei. Der Maestro war sichtlich verärgert, kopfschüttelnd machte er sich ans Banderilleren.
Das dieser Stier dann doch noch alles angemessen durchstand, war der guten Einteilung Padillas zu verdanken. Dieser bereitete uns Gänsehaut, als er auf den Knien, mit dem Rücken an den Tablas, den Stier an sich vorbeilenkte. Nicht nur ich hielt die Luft an. Effektive Estocada und die Aficion forderte auch das zweite Oreja. Der uneinsichtige Geselle bekam eine Bronca die sich gewaschen hatte. Schimpfworte wie ‘Antitaurino’ und ‘Podemita’ flogen ihm um die Ohren. Padilla drehte zwei Vueltas al ruedo, für uns.
Mittlerweile war es nach Mitternacht und Castella gab seine letzte Vorstellung. Hier konnte sich der Miesmuffel nicht aus der Affäre ziehen und musste die verdiente Trophäe gewähren.
El Fandi und Castella verließen die Plaza zu Fuß, mit je einem Oreja, Padilla drehte seine Ehrenrunden mit der Piratenflagge. Über mir hatte er einen Zuschauer erspäht, der die spanische Flagge bei sich hatte. Diese erbat sich der Maestro, zum Zeichen, das auch er nichts von dem ‘Toro a la Balear’ und dem Catalanismus hält.
‘LIBERTAD’ - Freiheit! Dieser Ruf erschütterte den altehrwürdigen Coso von Palma. Auf den Schultern ging es unter diesem Ruf durch die Puerta grande, begleitet von dem Ruf den man sonst nur in Pamplona hört. ‘Mira, mira , mira, Padilla maravilla’!
Nach dem Ende traf ich mich mit Leuten von der mit mir befreundeten ‘Pena taurina Alberto Lamelas’. In einem Lokal saßen wir noch eine Weile beisammen und ich musste viele Fragen beantworten, wie ich als Deutsche zu den Toros gekommen bin und was ich so alles erlebt habe rund um Toros und Toreros. Die Freunde werden in ein paar Tagen nach Azpeitia aufbrechen, um ‘ihren’ Torero, Alberto Lamelas, zu sehen, der dort mit Paulita und Sebastian Ritter in einer Corrida mit den ‘Duras’ von Celestino Cuadri auftritt. Was diese Menschen mit Lamelas teilen ist der Beruf, denn Lamelas verdient sich seinen Unterhalt mit dem Taxi, genau wie meine Freunde aus Palma. Zu nächtlicher Stunde brachte man mich zum Flughafen, wo ich noch Stunden Zeit hatte Fotos und Videos zu des Tardes zu sichten. Erschöpft, aber glücklich ging es mit dem ersten Flug zurück auf meine Insel, und zur Arbeit. Das ich mit diesem Bericht etwas länger brauchte, hängt damit zusammen. Es hat sich gelohnt, endlich wieder Toros und Toreros aus nächster Nähe zu sehen, ist einfach nur toll.