Bei meinen Steifzügen im letzen Winter/Frühjahr, durch die Ganaderias in Andalusien, eroberte ein Toro mein Herz.
Reichlich unromantisch lag er faul in der spärlichen Sonne der Wintertage. Es war Liebe auf den ersten Blick. Er hatte etwas ‘cooles’ an sich. Unaufgeregt folgte er mir mit seinen Blicken, wohin ich auch ging. Wäre dieses Tier ein Pferd gewesen, hätte ich versucht es anzulocken, um es mir aus der Nähe anzusehen. Aber das ist keine gute Idee, wenn es sich um einen Toro bravo handelt.
Die Ganaderia von Nunez de Cuvillo ist nicht unbedingt meine ‘Lieblingszucht’, aber die Qualität vieler ihrer Produkte lässt sich nicht von der Hand weisen. Bei den Tentadros parkten wir direkt an der Seite einer großen Weide, wo ein paar Bäume für Schatten sorgen. Hier weidete ein Lote, von dessen Verwendung bis dahin noch nichts bekannt war. Zwanzig Meter entfernt lagen sie da, faul widerkäuend, in der blinkenden Sonne: Die Könige der Dehesas, die Toros. Mächtig erschieden sie mir. Die jungen Novilleros, welche gerne an dem Tentadero des Nachmittags teilnehmen wollten, packten ihre Capotes und Muletas aus - Die Stiere zum greifen nach... Aber sie lagen da, im Staub und beobachteten das Treiben. Sie ließen uns keinen Augenblick aus den Augen. Und ich ließ diese schwarz-weiße Schönheit, mit der Nummer 99, nicht mehr aus den Augen. Langsam näherte ich mich dem Zaun, der einen wütenden Toro gewiss von nichts abhalten kann. Trotz ihrer gewaltigen Präsens, machten sie auf mich nicht den Eindruck, das sie böses im Schilde führten, eher wollten sie nur ihre Ruhe haben. Diese Art, wie mir ‘Asturiano’ mit den Blicken folgte, manchmal langsam den mächtigen Schädel bewegend, verursachte Gänsehaut, ich feute mich schlicht, ihn so nah zu sehen.
Wohin würde ihn sein Weg führen? Welche Plaza, welcher Torero würde sich ihm in den Weg stellen?
Ich hatte ihn beobachtet, wie er seinen mächtigen Körper aus dem Sand hochwuchtete. Kraftvoll, agil, nicht schwerfällig sondern eher selbstbewusst. Ich hatte seine Bewegungen verfolgt. Sicher und bestimmend sein Schritt, locker der Trab, gleichmäßige Galoppade. Gewiss gut einzuschätzen, wenn man mit der Muleta gegenüber steht.
‘Asturiano’ ließ sich nicht die ‘Butter vom Brot’ nehmen. Seine Weidekameraden hatte er stets im Blick, genau wie mich, wenn ich am Zaun stand, oder entlang ging. Es entging ihm nichts. Näherte sich ihm ein ‘Kollege’ in unangemessener Weise, ohne seine Distanz zu respektieren, genügte ein leises Senken der ausladenden Hörner, um den ‘Kollegen’ zu distanzieren. Aber er hatte auch einen ‘besten Kumpel’, der oft an seiner Seite lag, stand oder lief. Die beiden ruhten meist unweit einer anderen Gruppe von 4-5 Toros. Sie hielten sich zu diesen Stunden immer in diesem Winkel der riesigen Weide auf.
Pünktlich gegen halb Fünf am Nachmittag setzen sich alle Tiere nach und nach in Bewegung, um den Hang herunter, zu einem anderen Platz zu gehen. Auf mich hatte diese meist unaufgeregte Abwanderung meist den Eindruck gemacht, das es wohl Futterzeit sei. Der Magen ist die beste Uhr. Und es machte auf mich auch den Anschein, das die Gruppe auch hier ihre natürliche Reihenfolge, gemäß ihres Ranges, einhielt. Zu meinem Bedauern, war mein Stier stetz einer der Ersten, die aufbrachen. Diese Szene hätte ich zu gern gemalt, hätte ich Talent. Die Sonnenstrahlen, die durch den aufgewirbelten Staub strahlen und dieser Toro, der in all seiner Pracht auf den Weg macht, sich ein letztes mal nach mir umschaut.
Als Las Ventas, Plaza 1 , die Fotos der Toros für die prestigeträchtige Corrida de Cultura bekannt gab, erkannte ich ihn auf den ersten Blick. ‘Mein’ Stier. Gespannt betrachtete ich die Fotos und das Video des Sorteos. Wunderschön sah er aus. Gute Noten gab man ihm später im Tercio de Varas und in der Muleta. Ich hatte nur Augen für ‘meinen’ Toro, vergaß mit welchem Torero er sich messen musste. Ich hätte mir einen anderen Torero für ihn gewünscht, einen Künstler, mit Erfahrung. So begleitete ich meinen Stier auf seinem letzten Kampf, zu seiner Bestimmung. Er verließ die Plaza ‘con las orejas puestos’, der Torero war nicht in der Lage mit ihm zu triumphieren.
Trainiert man allein das Toreo de Salon, muss man die Fantasie aufbringen, sich einen angreifenden Toro vorzustellen. Verliebt in diesen ‘Asturiano’, habe ich in meinen einsamen Trainingsstunden nun einen Trainingspartner in der Muleta. Man mag mich nun für verrückt halten, aber jeder Torero hat seinen ‘Geisterstier’ in den Tüchern, wenn er allein trainiert.
Anbei ein Video der Corrida de Cultura, mit Toros von Nunez de Cuvillo und den Diestros, Morante de la Puebla, Cayetano und Gines Marin, von YouTube.