Er berichtet:
Noch voll der überwältigenden Eindrücke vom Vorabend, ging ich nun am darauf folgenden Vormittag zu etwas ganz anderem, nämlich zur Corrida de Rejones. Dieses Festejo war eigentlich in meinem Paket nicht beinhaltet und ursprünglich hatte ich vor an diesem Morgen eine Tienta, ca. 30 km von Arles entfernt zu besuchen. Es gab aber am Ostermontag leider keine adäquaten Busverbindungen und da ich an eine Entrada für das zusätzliche Festejo in Les Arenes kommen konnte, nahm ich dieses Ticket gerne an.
Das Rejoneo ist eigentlich nicht so mein Ding. Vor Allem habe ich keine Ahnung davon. Bei einer Corrida Mixta z.B. finde ich diesen zusätzlichen Aspekt der Tauromaquia sehr interessant und meistens vom ästetischen Standpunkt aus schön anzuschauen. Ich kann aber nicht beurteilen was gut und was schlecht ist, sondern nur ob mir das Gesehene gefallen hat oder nicht. Ich verstehe nichts von Pferden und Reiterei. Was die Caballeros und vor allem diese wunderschönen Pferde leisten ist definitiv toll, ich mag es aber nicht sonderlich einen Toro de Lidia permanent einem Pferd hinterher rennen zu sehen. Schon gar nicht sechs mal hintereinander.
Auch ist für mich die unmittelbare Gefahr für den Menschen ein wichtiger Teil der Faszination. Beim Rejoneo trägt hauptsächlich das Pferd diese Gefahr.
Die Rejoneadores waren die Stars der Szene: der Portugiese Rui Fernandes, im für die portugiesische Corrida de Toiros typischen Adelskostüm, Diego Ventura, in Portugal geboren aber in Andalusien aufgewachsen im Traje de Campo und der junge Guillermo Hermoso de Mendoza in seiner Navarreser Tracht.
Die Stiere kamen aus der Zucht von El Capea . Der frühere Matador a Pie, Pedro Moya "El Nino de la Capea"wird übrigens im September als ca. 69 jähriger nochmal in´s Ruedo treten!
Doch zurück. Fernandes widmete seinen ersten Stier den beiden Kollegen, sowie dem ehemaligen Matador und heutigem Empresario von Les Arenes Jean Baptiste Jalabert "Juan Bautista" und dem anwesendem hervorragenden Rejoneador Pablo Hermoso de Mendoza senior.
Der Portugiese hatte beide Male Pech mit dem Rejon de Muerte und wurde zweimal mit Ovacion verabschiedet.
Ventura bietet immer etwas für sein Geld. Ob seine "Show", voll von Adornos und Desplantes z.B. das Telefono eher Zirkus oder Clownerien sind wage ich nicht zu beurteilen aber das Publikum liebt es.
Jedenfalls erhielt er 2 Orejas .
Bei seinem zweiten, wieder sehr guten Stier, drehte er noch mehr auf. Eine begeisterte Verehrerin sang für ihn "sein Loblied", was man ab und an in Spanien beobachten kann. Beidhändig setzte er die Banderillas, das Pferd nur mit den Beinen lenkend. Überhaupt sind diese wunderbaren Tiere hochtrainierte Dressurpferde, jedes spezialisiert auf ein anderes Tercio, die durchaus selbst mitdenken und antizipieren können. 2 Orejas y Rabo.
Der junge Hermoso de Mendoza zeigte für mich ein sehr schönes Rejoneo. Vielleicht klassischer und durch seinen Vater geprägt. Jedenfalls gefällt er mir besser als Ventura.
Leider ging die Suerte de Matar vollkommen daneben. Silencio. Bei seinem zweiten Res war er zu Beginn noch vollkommen von der Rolle und traf z.B. mit dem Rejon de Castigo die Flanke des Stiers. Dann fing Guillermo sich aber wieder und bot eine ästethische Faena mit Banderillas al Violin, beidhändig gesetzten Banderillas cortas . Die Suerte de Matar gelang vorzüglich und 2 Orejas waren der Lohn. Auf der Tafel, auf welcher normalerweise Ganaderia, Geburtsjahr und Gewicht der Toros angegeben wurden, fehlten leider bei der Novillada und der Corrida de Rejon die jeweiligen Gewichtsangaben. Dafür wurden separat die Namen der gerade agierenden Pferde genannt.
Mit zwei Diestros die a Hombros die Plaza verliessen, nahm also auch dieses 4. Festejo einen harmonischen Ausgang.
Ende 4.Teil
Die Plaza war wieder gut besucht und die Protagonisten der Corrida de Toros waren der Mexicano Joselito Adame,
Steeven Jean Groux Leal, bekannt als Juan Leal, aus Arles stammend und Raphael Raucoule "El Rafi", 1999 in Nimes geboren. Die Toros kamen von der Ganaderia Jandilla und waren alle gut bis sehr gut in ihrem Comportamiento und mit ihren ausladenden Hörnern schön anzusehen.
Auf diese Corrida war ich besonders gespannt, da ich die Matadores noch nicht live gesehen hatte.
Joselito Adame, der sein 15 jähriges Alternativa-Jubiläum feierte, beeindruckte mit seiner ruhigen Reife und feinem Toreo, voller Freude und sympathischer Ausstrahlung. Sehr gute Leistungen. Ovacion / 1 Oreja
Ich persönlich fand es schade, dass er hier nicht seine aufregenden Lopecinas und Estatuarias gezeigt hat.
Juan Leal betreibt ein ganz anderes Toreo. Wagemutig und spektakulär. Auf den Knien den Toro von den Tablas in die Mitte zitierend, Estatuarias en Rodillas , mit der Muleta den grossartigen Jandilla-Stier hinter dem Rücken passieren lassend. 1 Oreja . Auch sein zweiter Stier hatte Klasse. Als Juan beim Brindis an das Publikum im Zentrum des Ruedo stand, stürmte der Toro schon auf ihn los, was der Torero erst spät bemerkte. Aber er blieb total cool, liess sich wieder auf die Knie nieder und führte den Toro mehrere Male vor und hinter sich vorbei.
Die folgende Faena war von solcher Güte, dass man verstehen kann, wenn nach den Despedidas von Juan Bautista und Sebastian Castella jetzt Maestro Leal als Nummer Eins der französischen Matadores tituliert wird.
Das allerdings, sah wohl die Präsidentin anders. Auch hier schien mir der Palco , einschliesslich der Assessoren wieder nicht adäquat besetzt zu sein. Das Problem ist, dass die Präsidenten Vertreter/Repräsentanten der Stadt sind. Also zum Beispiel aus der Verwaltung, dem Rathaus oder dem Polizeipräsidium etc. kommen. Aber sie haben nicht zwangsläufig Ahnung von der Materie. Im schlimmsten Fall sind sie sogar Gegner der Fiesta nacional.
Ein Ohr (Oreja de Ley) wurde gewährt aber das Publikum forderte mit Recht das zweite Ohr. Man möge mir verzeihen, aber die junge Dame, in Strickkostüm und mit blondierten Haaren, erinnerte mich nun an eine Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes, die nun endlich mal am Drücker war und mit dem bisschen "Macht", welches sie nun hatte, sich stur stellte. Dass man sie daraufhin ausbuhte ist eine Sache, teilweise aber auch unflätigst beleidigte ist eine andere Sache. Vielleicht kannten sich der aus Arles stammende Juan Leal und sie ja auch schon seit der Kindheit und es war noch eine Rechnung offen. Wer weiss?
Jedenfalls drehte der Diestro jetzt 2 Ehrenrunden, was die Dame auch mit scheelen Blicken zur Kenntnis nahm.
1 Oreja con 2 Vueltas tras fuerte Peticion.
Der Dritte im Bunde war der junge aufstrebende Franzose El Rafi. Eine verheissungsvolle Begabung, mit Charme und Inspiration. Wenn er sich weiter so gut entwickelt, könnte man schon von Duende sprechen.
Er zelebriert ein sehr engagiertes klassisches Toreo und was mir besonders gefiel, war sein vielfältiges und variantenreiches Repertoire an Capotazos und Lances, wie Tafarellas, Saltilleras, Lances de Navarra, Chicuelinas und die schwer auszuführende aber wunderschön anzuschauende Lopecina, benannt nach Julian Lopez "El Juli" , eine Quite die allerdings auch vor El Juli schon unter dem Begriff Zapopina existierte.
Er verdiente sich 1 Oreja und bei seinem zweiten Stier eigentlich auch, aber hier hatte Madame La Présidente wieder etwas dagegen. Vuelta tras Peticion. Sehr schade, einem jungen ambitionierten Nachwuchstalent auf diese Weise den Wind aus den Segeln zu nehmen. Alles in Allem war es eine sehr gute Corrida, die natürlich an die Veranstaltung am Abend zuvor nicht ganz anknüpfen konnte.
Es war für mich ein wunderbares, taurinisches Osterfest, mit grandiosen, aufregenden Eindrücken und Erlebnissen, voll guter Laune und neu gewonnenen deutschen Taurino-Freunden.
Schön anzusehende Toros, die fast alle bravo waren und nicht zu vergessen (da achte ich immer drauf) eine sehr gute Banda de Musica. Allerdings sollten sie ihr Repertoire mal erweitern. Bei 5 Festejos hat sich doch vieles wiederholt.
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass man sich im Netz bei Corrida.tv und FERIA TV das nun geschilderte in Teilen ansehen kann. Vielleicht kommt der Eine oder Andere ja auch zu ganz anderen Ansichten. Aber logischerweise ist ein Live-Erlebnis immer ein ganz spezielles.
Con saludos taurinos, ein zufriedener Aficionado.
Vielen Dank für die tollen Artikel!