Eine einmalige Chance für Novilleros sich am lebenden Objekt zu versuchen um Erfahrungen zu sammeln.
Sie präsentieren sich, am Eingang der Ganaderias, um mit Erlaubnis des Züchters ein Paar Pases mit der Muleta zu versuchen. Früher ging es auf Schusters Rappen, oder per Anhalter zu den Dehesas, auf der Suche nach einer Chance. Heute sieht die Sache anders aus, man reist bequem im Wagen des Vaters, eines Freundes oder gar des Apoderados. In der klirrenden Kälte machen wir, El Campana als Fahrer, Eloy Hilaro, Novillero und ich, uns auf den Weg in die Region um Medina Sidonia, wo ein Tentadero in der bekannten Zuchtstätte ‘Nunez de Cuvillo’ eine Prüfung für die jungen Vaqillas auf dem Programm steht.
Mein Genick tut mir weh, weil ich mir fast den Hals verrenke um die Toros zu sehen die neben den Straßen weiden. Wir erreichen die Dehesa von Nunez de Cuvillo und es geht vorbei an den Toros, welche in diesem Jahr ihrer Bestimmung zugeführt werden. Gut im Futter mit ausladenden Hörnern, kann ich mich nicht der Faszination entziehen.
Es ist bitter kalt und wir müssen warten. Der Ganadero fährt, freundlich grüßend an uns vorbei, auch der Matador de Toros, der heute die jungen Zuchtkühe prüft. Noch wissen wir nicht wer er ist, er genießt das Privileg, mit seinem Wagen direkt zur Plaza de Tientas zu fahren, wo er sich in der warmen Stube der ‘Casa de Toreros’ umziehen kann, während wir frierend warten, das man uns einlässt. Das ungeschriebene Protokoll. Die Novilleros, welche zuerst da sind, dürfen, wenn der Ganadero es erlaubt, ein paar Pases mit der Muleta zeigen. Wir haben den dritten Rang.
Endlich geht es los, wir gehen zu Fuß zur Plaza, wo die Aporderados Zirgarren rauchend beieinander stehen, der Picador mit seinem Pferd wartet und der Mayoral die Liste der zu prüfenden jungen Kühe studiert. Alles ist sehr gepflegt, was mir gefällt. Meine kalten Füße habe ich vergessen, Auch Eloy hat die fast erfrorenen Fingerspitzen vergessen. Außer uns sind noch vier andere Novilleros gekommen, um sich die Chance auf ein paar Muletazos mit einer der angesagtesten Züchtungen nicht entgehen zu lassen. Da wir sehr früh da waren, wird Eloy einer der ersten sein, der eine Chance bekommt. Heute haben wir die Ehre, Pepe Moral, Matador de Toros, bei der Prüfung zu begleiten.
Die erste Vaquilla saust in die Plaza de Tienta und Pepe Moral nimmt sie in Empfang, mit der Capa, um sie zum Picador zu dirigieren. Mutig und mit aller Kraft greift sie mehrmals an. An ihrer Tapferkeit habe ich keinen Zweifel. Nun kommt der Part mit der Muleta. Auf das leiseste Locken greift sie das rote Tuch des Matadors an, selbst wen sie im Eifer des Gefechts stürzt, ist sie blitzschnell wieder auf den Beinen und zögert keinen Moment, erneut zu attackieren. Hier erkenne ich die Unterschiede in der Qualität der einen und der anderen jungen Kuh.
Die erste war bravo, die zweite etwas zögerlich und kompliziert. Die dritte, mit fast weißem Fell, von schöner Statur will weder vom Pferd, noch von den lockenden Tüchern etwas wissen. Schlecht für sie und einen Novillero aus Murcia, der ihr am Ende erfolglos ein paar Pases zu entlocken versucht. Ich glaube nicht, das der Züchter sie behalten wird, so hübsch sie auch ist.
Eloy hat mehr Glück. Nachdem Pablo Aguado die Hauptprüfung durchgeführt hat ist sie zwar etwas müde, aber das hat mein Freund schnell erkannt. Er gibt ihr Pausen zwischen den Muletazos, denen sie dann willig und ehrlich folgt. All dies erlaubt zwar keine ‘Faena a la Morante’, aber man sieht, das Eloy das Tier versteht und sich den Umständen angepasst hat. Es gelingen ein paar schöne Pases bevor man die junge Vaca aus der Plaza, auf die Weide entlässt.
Bisher hatte ich ihn lediglich auf Videoausschnitten gesehen, was nicht die Aussagekraft hat wie ihn hier aus nächster Nähe zu sehen. Ich konnte sehen, das er sich bestens mit den Vaquillas verstand und sich von Schwung zu Schwung steigerte. Dies ist es, was einem Torero am Ende erlaubt, seine Kunst zu entfalten, das geht über die bloße Technik hinaus.
Diesen Unterschied unterstrich das Toreo eines Pablo Aguado, der in diesem Jahr gerne die Alternativa nehmen möchte. Wissen, Technik, das ist vorhanden, vielleicht auch eine gewisse Eleganz, aber damit hat es sich auch. Um ein großer Torero zu sein, muss man die oberen Ränge der Plazas mit Emotion füllen können. Hier erreichte er noch nicht einmal unseren Balkon.
Weil sie eine wirklich hochqualitative 'Materia Prima' hervorbringt. Was ihnen erlaubt sich wirklich auszudrücken, die Menschen in den obersten Tendidos zu erreichen. Ein Künstler braucht einen bestimmten Pinsel, einen bestimmten Bleistift, um sein Kunstwerk zu zeichnen, welches unsere Augen leuchten lässt, eine gute Gitarre, oder Klavier, um die Töne hervorzurufen, welche unsere Ohren erfreuen. Mit den Toros und den Toreros verhält es sich nicht viel anders.
Dies muss ich bekennen, als Kritiker der ‘Modeganaderias’. Was ich hier sah, waren sechs junge Kühe, deren Mütter und Großmütter, Väter und Großväter mit Sorgfalt ausgewählt wurden, um dem Torero das höchste Maß an Ausdruck zu verleihen, um uns, in den obersten Tendidos zu erreichen.
Halb erfrohren verabschieden wir uns dankend beim Ganadero und von Pepe Moral. Wie viel kann man mitnehmen, an einem Nachmittag im Campo...