Matador de Toros, Taurinokritiker und Verfasser vieler Bücher und Artikel in Fachzeitschriften. Für mich, einer der „ganz Großen“. Er hinterlässt eine große Lücke in meinem Leben, ich verdanke Ihm viel.
Hier meine Erinnerungen, an diesen ganz besonderen Menschen:
Meine Aficionada-Freundin Torodora Gorges, selbst Verfasserin eines guten Buches über Morante de la Puebla, machte mich vor Jahren darauf aufmerksam, das dieser Schriftsteller und Taurinokritiker in meiner Wahlheimat Sanlucar de Barrameda lebt.
Durch glücklichen Zufall lernte ich ihn bald kennen, bei einer intimen Feier unter Toreros und Aficionados practicos in privatem Rahmen. Man stellte uns einander vor und ich wußte nicht was ich sagen sollte...
Ich kleines Licht, kaum in der Lage mich vernünftig in spanisch auszudrücken, sollte einem bekannten Schriftsteller etwas sagen. Schüchtern richtete ich Ihm die aufgetragenen Grüße meiner Freundin aus, welche seine Artikel las und sie zu schätzen wusste. Der große Mann war äußerst sympatisch und nett zu mir, so das sich meine Schüchternheit etwas verlor und mich traute, ihn über einen Artikel zu befragen, den ich gelesen hatte.
Mit liebevoller Geduld erklärte er mir seinen Standpunkt. Nicht das er mich irgendwie überzeugen oder beeinflussen wollte, nein, im Gegenteil. Wie ein guter Lehrer, regte er meine eigenen Sinne an, das Gelesene zu analysieren und zu einer Erkenntnis zu kommen.
Unsere kleine ‘Fiesta’ wurde im Verlauf etwas fröhlicher, der Manzanilla tat das Seine dazu, die Gitarren wurden gestimmt, Sevillanas, Chiringotas und Baladen wurden gesungen, es war wunderbar, so autentisch.
Die Sänger und Gitarrenspieler wechselten sich ab, Wünsche ob eines Liedes wurden erfüllt, eine herrliche, recht andalusische Stimmung herrschte im kleinen Garten von Juanpe. Ich hatte keinen blassen Schimmer wo der Unterschied im einzelnen lag : Flamenco, Sevillanas, Fandango, für mich war alles Flamenco. Gitarrenklänge, das Klatschen und das auf den Tisch trommeln, mit den heiseren Sängerstimmen, das war eine Reise in ein verzaubertes Land.
Irgendwann fordete man Santi Ortiz auf, eine bestimmtes Lied zu singen, einen Fandango... Santi entschuldigte sich beinahe schüchtern, er habe keine große Singstimme.
Leise gab eine Gitarre die Melodie vor, Santis Hände klatschten leise im Rythmus und bald begann er ganz leise zu singen, andächtig hörten alle zu, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Er schloss die Augen und sang mit ganzer Hingabe dieses Lied.
Und ich sah vor meinen Augen einen Torero in der Real Maestraza von Sevilla mit einem Stier kämpfen. Aber nicht wie sonst, sondern eher wie in einem schönen Ballett, den Stier an sich fesselnd, das rote Tuch mit unendlicher Langsamkeit vor den Hörnern des Tieres herziehend. Liebevoll, fast zärtlich, verzaubernd. Ich befand mich in diesem Moment in einer anderen Welt, wie in einem Traum. In diesem Moment verstand ich, was Santi mir versucht hatte zu erklären, „Temple“, diese Langsamkeit in den Höhepunkten des Stierkampfes, vorgeführt in aller Natürlichkeit mit der Hand der großen Maestros. Santi Ortiz torerierte nicht nur mit "Temple", er sang auch mit diesem Temple...
Ich glaube alle Zuhörer waren in eine Art Trance gefallen. Nachdem er geendet hatte herrschte einen Augenblick Stille, dann wurden leise, zustimmene ‘Ole’s’ gemurmelt. Etwas Außergewöhnliches in dieser feierfreudigen, lauten Runde. (Die Spanier sind recht laut, wenn sie sich zu mehreren unterhalten oder gar feiern.)
Er stimmte zu und so trafen wir uns regelmäßig auf der Plaza de Calbildo, zu Tapas und Manzanilla, um über die Toros und Toreros zu sprechen.
Santi Ortiz kommt aus Huelva und hatte sich, nach dem er die Alternativa bekommen hatte, entschlossen, Lehrer zu werden. Aber die Welt der Stiere ließ ihn nicht los. Dank seines großen Talents, sich wortgewandt auszudrücken, hatte er eine beeindruckende Laufbahn als Stierkampfkritiker, schrieb für alle führenden Torozeitschriften, wurde zu Tertullias und Vorlesungen eingeladen, verfasste mehrere Bücher, das wohl bekannteste handelte von Juan Belmonte. Sein umfangreicher Wissensschatz, was die Geschichte der Tauromaquia anbetrifft, das Wissen um das Toreo und den Stier, war für mich faszinierend.
Er empfahl mir den einen oder anderen Torero näher anzuschauen.
Später berichtete ich ihm, was ich an diesem gesehen hatte oder auch nicht. Schnell stellte ich fest, das er Gefallen an meiner Wissenlust fand, er half mir besser zu schreiben, wir tauschten unsere Artikel aus. Oft bekam ich ein Lob, das war für mich wie ein Ritterschlag. Er lobte nicht, weil wir befreundet waren, sondern weil ihm die Dinge gefielen, die ich in Worte gefasst hatte. Genauso wie er nie einen Torero lobte für die Trophäen, welch Präsident oder Publikum vergaben, sondern nur wenn die Faena es wirklich wert war. Wenn ein Novillero mehr Mut, als erlerntes Handwerk hatte, sagte er das ehrlich. Auch lobte er keinen Toro, der nichts getaugt hatte, auch wenn er aus der noch so berühmten Zucht kam und der Torero zwei Orejas bekam. „Manso de libro“ Feige wie es im Buche steht, war einer seiner Kommentare.
In meiner „Lehrzeit“ bei Santi Ortz, gab es kaum einen Torero, den wir nicht analysierten, kaum eine große Faena, die unbesprochen blieb.
„Embustero“ nannte er Diesen. Ich war erstaunt. Ich mochte dessen elegantes Toreo, diese Kunst auch mit dem unlustigsten Invaliden noch etwas zu zeigen. Ein Morante griff bei solchen Toros schnell zum Degen, Dieser bekam Orejas.
Es dauerte etwas, bis ich Santis Einstellung verstand. Nie hatte er mich in meiner zeitwesen Abneigung für Morante, oder meine Begeisterung für diesen Matador beeinflusst. Stattdessen empfahl er mir Bücher zu lesen, Gemälde, Fotos und Videos ganzer Corridas zu studieren. Ein ganz exquisiter Lehrer, mein Freund. Und so begann ich zu sehen, was er an meinem Torero so kritisierte ohne es zu sagen. Das torerieren mit dem äußersten Zipfel der Muleta, das ausnutzen der Schwächen des Toros, diese Show um das leidige Tier, um das Publikum für sich zu gewinnen, das war es, was in seinen Augen schändlich war. Das war für den Mann der selbst vor den Hörenern der Stiere sein Brot verdient hatte, billig. Unwürdig, nur auf Erfolgshascherei aus. Embustero eben.
Mit den empfohlenen Studien, begann ich nun das Toreo von Morante besser zu verstehen. Hier war es auch hilfreich, das ich selbst Capote und Muleta in die Hand genommen hatte, das ich mich mit den Toros und ihrem Verhalten beschäftigt hatte. Nun begriff ich, warum Morante oft schnell zum Degen griff und greift. Mit einen unbrauchbaren schwachen Tier kann man kein ehrliches Schauspiel bieten.
Am Ende meiner LehrJahre verfolgten wir beide mit leuchtenden Augen einen jungen Torero, der zu einem Maestro wird, der seines Gleichen suchen kann: Andres Roca Rey.
Santi empfahl mir auch Tomas Rufo im Auge zu behalten, als dieser noch Novillero war. Diese Saison hat er nach der Alternativa große Triumphe gefeiert, wichtige Puertas grandes geöffnet. Auch von Isaac Fonseca aus Mexico hielt er viel, dessen Mut fand er beispielhaft.
Santi hat mir viel geholfen, durch ihn bekam ich die begehrten Eintrittskarten, welche er persönlich für mich und deutsche Aficionadofreunde in Sevilla reservierte. Er hatte Beziehungen zu den Maestranten, welche die begehrtesten Entradas für die Tendidos unter sich verteilen.
Auch stellte er für mich den ein oder anderen Kontakt zu andern Schreibern oder Stierzüchtern her.
Den größten Gefallen tat er mir in der Covid19 Zeit. Nach wochenlangen „Einschluss“, wollte ich unbedingt ins Campo, zu den Stieren. Aber die Züchter hatten wenig Lust auf Besucher, vorallem wegen den Auflagen. Man brauchte Genehmigungen wenn man kein Profitorero war, um durch die Gegend zu fahren, die Leute fürchteten sich vor Fremden, wegen der Ansteckungsgefahr und all der ganze Zirkus. Ich klagte ihm mein Leid, das ich noch nicht einmal einen Stier für einen Tentadero kaufen konnte. Santi stellte für mich den Kontakt zu einem persönlichen Freund her, der Stiereinkäufer für Plazas und große Toreros war.
Sein Freund, der ehemalige Matador Julio Vega „Marismeno“. Das war schon eine tolle Sache, denn dieser nimmt nicht jeden dahergelaufenen Aficionado mit ins Campo, um Stiere auszusuchen und zu kaufen. Dank diesem, lernte ich nun noch mehr, über die Stiere. Seit dem sind wir auch befreundet. Es ehrt mich sehr, das man mich für würdig gefunden hat, mit diesen „alten Hasen“, diesen hochrangigen Fachleuten, regelmäßig über Toros, Corridas und das ganze Drumherum zu ‘fachsimpeln’.
Santi mochte meine Fotografien, besonders die von den Stieren im Campo und der ein oder andere Schnappschuschuss fand Gnade vor seinen wissenden Augen.
Im letzten Jahr schenkte er mir einen Artikel, über einen meiner ‘Schnappschüsse’, den ich zu gegebender Zeit veröffentlichen wollte.
Dieser Tag ist nun gekommen.
Muchas Gracias estimado Santi, por tu amistad y todo que me has dejar de aprender de ti, no tiene precio. Te mando mi ultimo beso al cielo, con todo mi corazon.
No miran, no ven, absorben. Retienen en sus lentes el paisaje, los recuerdos que evoca, el universo candente de la plaza de toros y mucho más allá.
Por ejemplo, las nubes; las que dibujan esas manchas blancas festoneadas de verde que aberrendan el azul del cielo; esas nubes que podrían ser nietas de aquellas que acompañaban a Belmonte en la dehesa de Tablada, cuando el siglo XX aún no cumplía los diez años y era la luna la que iluminaba los cimientos del arte nuevo que se iba gestando en la muletilla de un chaval de Triana llamado a volver al toreo del revés. Esas nubes que, más cerca en el tiempo, acompañarían a Marismeño, Ojeda y tantos otros aficionados sanluqueños en sus furtivas correrías nocturnas por toda la marisma brava que se abre ante Sanlúcar allende la otra orilla del Guadalquivir.
Precisamente, la vetusta plaza sanluqueña, la recoleta y torera Plaza del Pino, queda perfectamente reflejada en la superficie cóncava de estas gafas curiosas que se posan en la frontera que separa el círculo mágico del ruedo, con el anillo del callejón, lugar donde ya se empieza a sentir lo serio y tremendo que es el toreo. Ahí la retiene en su curvo perímetro interior, con los ojos de buey de sus ventanas, sus gradas y tendidos vacíos, pero llenitos de historias y recuerdos. Ellos vieron morir a Faustino Posada corneado por un novillo de Miura; luchar y estrellarse, contra el infranqueable muro que separa a los llamados de los elegidos, a un sinfín de novilleros sanluqueños, y triunfar y hacerse toreros de cartel a toda una pléyade de matadores de toros paridos también en esta tierra, de Manuel Hermosilla, que inauguró su ruedo, hasta Antonio José Blanco, el último hijo de Sanlúcar que recibió –hace ya tres lustros– la borla de doctor en dicha plaza.
Sin embargo, las gafas captan más. Algo que no es visible, pero que queda representado en la imagen que ellas retienen, y es el futuro: la ilusión de ese muchacho que muleta en mano paga naturales al toro interior que le quema por dentro soñando con el momento en que se materialice para sentirse torero de verdad. Es la continuación de un hilo que viene de hace siglos y que tenemos, entre todos, la obligación de preservarlo. Ese muchacho que entrena en la soledad de la plaza, simboliza un legado y una cultura tan grande, tan única, tan mágica, que no podemos permitirnos el lujo de perderla. La propia Civilización nos lo demanda.
Todo ha quedado aquí, reflejado en los cristales de unas gafas de sol y congelado y extraído del tiempo por la mano de la fotógrafa –la tuya Corinna– que la perpetuó en esta imagen que me has mandado. Te prometí escribir sobre ella, porque la foto, original y artística, me evoca muchas cosas. Cumplida queda mi palabra y rubricada con mi agradecimiento por haberme hecho partícipe de ella.
Un beso grande.
Santi Ortiz
Sanlúcar de Barrameda, 24 de noviembre de 2021