TEIL II
Die Corrida de Toros, das Mano a Mano, also nur zwei statt drei Matadores, aber trotzdem 6 Toros 6, fand also im Palacio Vistalegre im Stadtteil Carabanchel statt.
An dessen Ort wurde 1908 die Plaza de Toros de Carabanchel erbaut, wo auch regelmässig Festejos stattfanden.
So war dort, was Fotos belegen, auch leider in den 30er Jahren auf Einladung von General Franco, der unsägliche Heinrich Himmler bei einer Corrida zu Gast. Wie man berichtete, wurde ihm dabei schlecht. Dem Mann, der wenig später Millionen von Menschen skrupellos in den Tod schickte! Das nur am Rande.
In den 70er Jahre wurde der Betrieb eingestellt und nachdem die Arena nutzlos und verfallend rum stand, wurde sie 1996 abgerissen.
Stattdessen wurde eine Vielzweckhalle gebaut, welche 2000 eingeweiht wurde. In dieser wenig schönen, riesigen Multifunktionshalle, welche neben Festejos taurinos Platz für Konzerte,Messen,Sportveranstaltungen etc. bietet, befinden sich zusätzlich ein riesiger Supermarkt, ein Fitness-Club und ein Restaurant.
Mein Hotel lag in unmittelbarer Nähe, so dass ich am Abend vor der Corrida das Gebäude umrundete. Wo die Chiqueros sein sollten, erschloss sich mir von aussen nicht. Da im Inneren gerade ein Rock/Popkonzert stattfand, dessen urlaute Musik mühelos auch die Gegend drum herum beschallte, hoffte ich, dass die Toros aber noch nicht in ihren Corrales waren.
In einer Bar entdeckte ich Fotos und Carteles der alten Plaza de Toros und muss sagen, auch dieses Gebäude war nicht gerade wunderhübsch.
Dass in einigen Städten und Gemeinden jetzt Corridas in solch wenig attraktiven Mehrzweckhallen stattfinden, soll mir recht sein, wenn dadurch der Weiterbestand der Tauromaquia befördert wird.
Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass genau das Gegenteil der Fall sein könnte.
Um keine teuren Arenen, welche den meisten Teil des Jahres ungenutzt leer stehen, zu haben, wurden diese Multifunktionsgebäude errichtet. Wenn man aber nun schon Hallen hat, welche ja auch anders zu nutzen sind, was hauptsächlich der Fall ist, kann man auch ganz leicht und guten Gewissens, die Corridas daraus ganz verbannen.
Dazu braucht es nur die entsprechende politische Entscheidung.
Hier herrschte Turnhallenatmosphäre, auch was die Akkustik anbelangte. Sehr laut. Die Halle hat ein Dach, dessen Kuppel man um ca.2 Meter anheben kann, so dass etwas frische Luft und ein Lichtstrahl herein dringt. Aber für mich muss eine Arena nach oben ganz offen sein, die Sonne muss herein knallen und die Schwalben umher sausen. Das ist dann ein Festejo taurino in Spanien!Hier gab es künstliches Licht, wodurch auch der Sand im Ruedo ganz anders aussieht und man wurde vor dem Beginn mit lauter Musik aus dem Lautsprecher bedudelt.
Im Gegensatz zu den Plazas welche ich in den letzten Jahren besuchte, wurden hier keine Programme verteilt, auf welchen man alle Infos bezüglich der Diestros, Cuadrillas, Ganaderias und Reses etc. erfahren konnte.Beim Mano a Mano muss ja ein dritter Matador de Toros im Ruedo sein, sollten beide Matadores nicht in der Lage sein, die Estocada auszuführen, hat dieser dann die Aufgabe zu übernehmen. Dafür wurde er engagiert. (siehe dazu auf dieser website unter: mehr...;TOREROS den Artikel Juan Gonzalez de Mata,...für ein paar Peseten in Las Ventas)
Wer in diesem Fall also der nicht mehr so junge Sobresaliente war, blieb mir ohne Programmzettel unbekannt. (Anmerkung: Enrique Martinez Chapurra war der Ersatztorero.) Hätte ich aber gerne gewusst. Immerhin hat der Mann ja mal die Alternativa gemacht.
Jedenfalls kamen ständig Leute die ihn riefen ("Santiago; Santi; Guapo!") und Selfies machten, vor und nach der Corrida, aber auch während der Vuelta al Ruedo. Ständig war irgendeine Kamera auf ihn gerichtet. Das hat ganz schön genervt!!Der andere VIP, der neben ihm sass, wurde weit weniger beachtet. Und das war MORANTE DE LA PUEBLA!!
Ebenfalls konnte ich in weiteren dieser Logen den Aplausos-Kritiker Manolo Moles, Ortega Cano, Perez Mota und Curro Vazquez ausmachen.
Der Paseillo begann, es spielte eine kleine Banda taurina, ich hatte schon befürchtet, diese Musik käme auch aus der Konserve und die zwei Matadores, El Cid und Emilio de Justo wurden mit grossem Beifall empfangen.
In den Presseankündigungen werden Mano a Mano Festejos immer als Duell hingestellt. Mit Fotos, auf denen sich die vermeintlichen Kontrahenten wie zwei Boxer vor dem Kampf grimmig anschauen.
Das finde ich völlig behämmert. Es findet kein Kampf zwischen den Beiden statt.Die Corrida de Toros ist ja kein Sport. Jeder versucht auf seine Art Kunst zu zelebrieren. Dass eine gewisse Konkurrenz oder Rivalität besteht, wie immer unter Berufskollegen (Schauspielern, Ärzten, Journalisten etc,usw.), ist doch logisch, aber die bestünde genauso, wenn drei Diestros aufträten.
Die kleine Banda spielte die Nationalhymne und alle standen auf. Bei so etwas habe ich immer ein etwas merkwürdiges Gefühl.
Mambru, früher in der Cuadrilla von Padilla, half heute als Banderillero in den Reihen von Emilio aus und kam um Morante zu begrüssen. Dann zündete sich dieser trotz Rauchverbotes seine Zigarre an und hat mich damit voll gestunken.
Und mit diesem Toro konnte El Cid kein Duett gestalten. Anfangs gelang ihm noch eine schöne Serie von Veronicas und in der Faena ein paar sehenswerte Derechazos. Aber der Sänger zog sich im dritten Tercio an die Tablas bzw. in die Querencia zurück. Der Estoque traf die Lunge, was ich nicht sehen möchte und der Puntillero machte seine Arbeit auch nicht gut.
Silencio und Pitos en el Arrastre.
Nun war Emilio de Justo dran. Er beginnt gerade durch zu starten und ist mit seinen 36 Jahren, in diesem Metier auch nicht mehr ganz der Jüngste. Sein Toro(602 kg) aus der gleichen Ganaderia machte einen sehr guten Eindruck und Emilio beschäftigte ihn mit Veronicas en Rodilla, wunderbaren Chicuelinas und Gaoneras.
Im Tercio de Varas warf der Stier Malaguito das Pferd um, was ihn offenbar viel Kraft kostete. Das Tercio de Banderillas leitete Mambru in der Brega vorbildlich, wofür er, als auch Morenito de Arles für seine zwei Paar Banderillas, grossen Applaus bekamen.
Die Faena begann Emilio mit Derechazos, konnte acht Naturales vorführen, bei welchen sich manches Mal die Muleta etwas in den Hörnern verhakte und war mit weiteren Derechazos ganz nah am Stier.
Auch Morante aplaudierte. Dieser sah während der Corrida übrigens nicht immer zu und war öfter nicht anwesend. Aber beim Stier war die Luft raus.
Eine media Estoquada und ein Descabello. Resultado: Ovacion por el Diestro, Aplausos con algunos pitos en el arrastre.
Diese sind ja oft schwierig zu handhaben, aber El Cid, 45 Jahre alt, der sich nach dieser Temporada zurück ziehen möchte, hat ja genügend Erfahrung und konnte mit diesen Reses auch schon triumphieren.
El Cid erzog sich regelrecht den Stier mit der Capa. Am Pferd war der Toro tapfer, der Picador machte einen guten Job und die Banderillas wurden schlecht gesetzt.
Das Brindis ging an den Promi vor mir, über den ich inzwischen gehört hatte, dass er ein Politiker sei und El Cid blinzelte Morante kurz zu.
Der Stier mit Namen Morisco und El Cid fixieren sich gegenseitig, lassen sich nicht aus den Augen. Victorinos sind schon eigene Persönlichkeiten. Man weiss nie was und wann etwas kommt. Immer brandgefährlich. Sehr interessant zu beobachten!Mit Serien von Derechazos und Naturales beherrschte der Matatador zwar Morisco, trotzdem zerriss dieser ihm einmal die Muleta.
Wenn die Banda aufhörte zu spielen, bedankt sich El Cid immer durch eine leichte Verbeugung für die Begleitung.
Nun folgte eine wirklich sehr gute Estoquada, aber Victorinos sind so zäh. Die stemmen sich gegen den Tod und es brauchte noch den Descabello. Das Auditorium forderte ein Ohr, was der Präsident aber nicht gewährte. Dafür wurde er ausgepfiffen und Cid bekam eine grosse Ovation. Der Toro wurde mit Aplausos verabschiedet.
Der Victorino Mirandino war nun der "Partner" von Emilio.
Mirandino bearbeitete die Burladeros und reagierte sehr gut auf die Capotes. Emilio zeigte Veronicas und Revoleras vom Feinsten. Die 2 Puyas waren etwas zu weit hinten angesetzt und der Reiter stocherte noch nach.
Auf diese Weise nun geschwächt, wurde die Faena recht schwierig.
Der Toro blieb nun lange stehen, beobachtete sein Gegenüber um plötzlich zielgerichtet anzugreifen. Er hatte kapiert, er suchte den Mann! Für eine Reihe von Pases hatte Emilio den Victorino wieder in seinem Bann, aber Mirandino suchte und fand Emilio.
Heftige Voltereta. Allerdings und zum Glück liess sich jetzt der Stier von der am Boden liegenden Muleta ablenken und stocherte nach ihr. Noch beim ersten Mal. Bei der kurz darauf folgenden Voltereta sah das schon anders aus. Aber Emilio, der sich hier das linke Handgelenk brach, konnte auch Dank seiner hervorragenden Cuadrilla den Hörnern entkommen.
Ich finde grundsätzlich den deutschen Begriff Stierkampf falsch, aber ab hier war es ein Kampf! Zwei gleichwertige Gegner standen sich gegenüber. Keiner wollte aufgeben, jeder setzte sein Leben auf´s Spiel. Wenn man so nah dran sitzt wie ich, spürte man das ganz deutlich. Eine "schöne" Faena war das nicht, aber eine packende. Wert genug für ein Ohr.
Aber der Degen! Vier Pinchazos und ein Descabello. Die Suerte de Matar sollte Emilio noch intensiver üben. Auch Talavante machte sich am Beginn seiner Karriere alles mit mangelhaftem Degengebrauch kaputt. So gab es für Emilio "nur" eine Ovacion bevor er in die Enfermeria verschwand.
Indeciso (der Unentschlossene) schien mir erst mal gar nicht unentschlossen, sondern der toreabelste Toro des Abends zu sein.
Er begann sehr agil, was er auch noch am Anfang der Faena war, sogar zu agil für eine schöne Arbeit mit der Muleta.
Doch wie aus heiterem Himmel war Indeciso müde geworden und es war schwer ihn zur Mitarbeit zu bewegen.Das Publikum wurde unzufrieden. El Cid, dem vorher noch applaudiert wurde, bekam nun den Unmut zu hören.
El Cid machte seinen Job eigentlich wirklich gut. Seine Bewegungen wurden zwar manchmal etwas zu hektisch, was irgendwie vulgär aussah, aber grundsätzlich konnte er die Leute nicht wieder packen. Merkwürdigerweise besitzt der Mann kaum Ausstrahlung. Er sieht gut aus, ist eine stattliche Erscheinung, aber irgendwie kommt nichts rüber.
Die Estoquada war effektiv und er bekam Aplausos. Nicht das Resultat, was er sich erhofft hatte.
Emilio de Justo trat nun dem letzten Toro namens Nardito , ebenfalls Parlade´ mit bandagierter linker Hand entgegen.
Auch hier gefiel er mir vor allem mit seinen Lances der Capa. Nardito verbrachte lange Zeit am Pferd und im Tercio de Banderillas pfiffen Teile des Publikums, weil sie den Sobresaliente, der offensichtlich Madrilene ist, mit einer Quite sehen wollten, wozu die Chance nun vorbei war. Es bot sie ihm keiner der Matadores an und er selbst drängte sich auch nicht auf.
Mit der Muleta holte Emilio den Toro von den Tablas weg, hin zur Mitte des Ruedos.
Derechazos mit ganz viel Temple. Ganz nah am Stier. Eine grosse Faena. Für mich, die beste und rundeste Leistung des Abends mit dem besten Stier.
Emilio ging zum Töten über dem rechten Horn hinein und diese Estoquada sass auf Anhieb (allerdings ein Lungenstich).
Überall weisse Taschentücher. Der Präsident gewährte auf Anhieb beide Ohren, vielleicht wollte er einen krönenden Abschluss, mit einer Puerta Grande. Für mein Empfinden hätte es ein Ohr auch getan.
Den Preis für den besten Stier erhielt Don Victorino für Morisco, der Toro mit dem El Cid triuphiert hatte.
Emilio de Justo wurde auf den Schultern durch die Puerta Grande getragen, auch die die gefährliche steile Treppe vor dem Palacio hinab.
Für ihn ein sehr guter Saisonauftakt.
Der nun wieder belagerte Politiker war, wie ich inzwischen weiss, Santiago Abascal Conde. Dieser Mann besitzt tatsächlich viel Charisma und wurde schon wie der Messias hier behandelt. Er ist Parteivorsitzender der anscheinend rechtspopulistischen Partei VOX. Aber Genaueres kann ich dazu nicht sagen, ich habe mich damit nicht genügend beschäftigt.
Jedenfalls setzt er sich für die Tauromaquia ein. Das allerdings nährt wieder die alten Vorurteile, dass die Corrida de Toros nur von Rechtsextremen, Faschisten und Reaktionären besucht würde.
Aber ich bin ein Gegenbeispiel. Nur mich kennt ja in Spanien wieder kein Schwein.