Wie erwähnt, war ich sehr gespannt auf die VICTORINOS und die DIESTROS. Enttäuschend war, dass die PLAZA, Vista Alegre, nur etwa zur Hälfte besetzt war, obwohl die BILBAINOS doch angeblich TORISTAS sind und die Exemplare aus der Zucht von Victorino als aussergewöhnlich gelten. (Leider konnte ich keine Angaben darüber finden, wie viele Zuschauer die Plaza fasst).
Wie dem auch sei, jeder Stier wird dort erst einmal mit Applaus empfangen, was in diesem Fall aber ganz schnell umschlug.
Der erste TORO war leider gar kein guter und man konnte mit ihm nicht viel anfangen. Manuel Escribano wollte ihn a PORTA GAYOLA empfangen, was schon nicht funktionierte, da der Stier überhaupt nicht auf den vor ihm am Boden knienden Mann reagierte. Meines Erachtens nach, sah das Tier schlecht und knickte sehr oft mit den Vorderbeinen ein. Jedenfalls wurde von vielen der erste SOBRERO gefordert, was aber vom Präsidenten Matias Gonzalez nicht gewährt wurde. Überhaupt gilt dieser PRESIDENTE als ganz harter und eigenwilliger Hund. Wie ich vorher in einem Interview mit ihm in der Fachzeitschrift APLAUSOS las, ist er dort hauptamtlich der Präsident, mit vielen verschiedenen Aufgaben, quasi der “Intendant”. Er war selbst (erfolgloser) NOVILLERO SIN PICADORES. Während sonst Repräsentanten der Stadt die FESTEJOS leiten, machte die Stadt Bilbao vor über 20 Jahren mit ihm einen AFICIONADO zum Präsidenten. Das klingt erst mal vernünftig. Anstelle von Bürgermeistern,Polizeioffizieren oder Kultusbeamten, agiert hier Jemand, der Ahnung und Interesse an der Materie hat. Aber er hat sehr hohe Ansprüche in allen Bereichen. Ein INDULTO scheint bei ihm unmöglich, für ein zweites OREJA muss der MATADOR mit jeder Hand mindestens 20 ! gute MULETAZOS zeigen. Und wie ich erlebte, bestimmt auch er, ob und wann während der FAENA die MUSICA spielt.
Aber er scheint auch ein eitler Divo zu sein, der seine Befindlichkeiten zelebriert und dessen charmantes Lächeln künstlich ist. Der Victorino jedenfalls, im ARRASTRE ausgepfiffen, bot keinerlei Möglichkeiten, mit ihm zu glänzen. Für die aber wirklich ehrlichen Bemühungen , erhielt der DIESTRO als Resultat die OVACION des Publikums.
Überhaupt möchte ich allen drei MATADORES des Abends hoch anrechnen, dass sie sich, trotz offensichtlicher Unmöglichkeiten , anstrengten dem Auditotium etwas zu bieten, anstelle schnell zum Degen zu greifen, wie so manch Anderer.
Der TORO der nun in´s RUEDO kam , für Saul Jimenez Fortes bestimmt, war sehr kompliziert zu handhaben. Fortes ist eigentlich von seiner Statur her zu lang und zu schlaksig für einen TORERO. So hatte er, der beim vorigen Stier schon eine sehr ansehnliche QUITE mit CHICUELINAS zeigte, schon bei der Arbeit mit der CAPA eine VOLTERETA, weil seine langen Beine sich mit einem Bein des TOROS beim Passieren kreuzte und er somit regelrecht von den Selbigen geholt wurde.
Kleiner Einschub: beim Betrachten der Videos der schweren CORNADAS von J.J. Padilla, der ja auch recht gross ist, fiel mir auf, dass dieser über seine eigenen Beine stolperte.
Auch die langen Arme von Fortes sind bei der ESTOCADA bestimmt hilfreich, allerdings lässt er sie auch tief hängen und steht dadurch manchmal selbst auf den Tüchern, was er offensichtlich selbst gar nicht bemerkt und sich dadurch selbst in Gefahr bringt. Der Kommentar von A. hier zu war der, dass mit einer solch blasslila TRAJE es ja nichts werden könne und sie hoffe ,dass er diese nur gewählt hätte, weil die anderen in der Wäsche sind.
Aber der mir sympathische junge Mann, bemühte sich sehr aus diesem komplizierten Stier, der schnell an Lebendigkeit verlor und “nachdachte”, etwas zu machen. Fortes offerierte seine guten Anlagen und es gelang ihm noch eine bemerkenswerte FAENA und wurde für sein TOREO PURO und ESTOCADA ATRAVESADA mit einer GRAN OVACION bedacht, während der Stier wieder ausgepfiffen wurde.
Als Saul sich allerdings zu einer VUELTA AL RUEDO anschickte, zeigte ihm das Publikum dermassen brüsk und lautstark, dass er das dann doch nicht verdient hätte und es blieb bei den SALUDOS. Das muss man als sensibler Künstler erst mal verkraften.Ich empfand diese Situation als peinlich und überzogen. Also wenn man mich auf solche Art auf die Plätze verweisen würde, müsste ich ganz schön daran knabbern. Es scheint aber, dass TOREROS lernen, Provokationen und Schmähungen stoisch zu ertragen. Genau vor unseren SITIOS fanden die TERCIOS DE VARA statt. Besonders dabei werden gerne die PICADORES beschimpft und beleidigt. Aber wir erlebten auch, wie ein PICADOR sich verbal gegenüber den ihn übelst beschimpfenden Zuschauern rechtfertigte.
Von wem stammte eigentlich nochmal die Aussage, dass nicht der TORO im RUEDO die grösste Bestie sei, sondern das Publikum auf den Rängen. Ich glaube es war Rafael Gomez “El Gallo”, und er hatte recht!
Manuel Escribano, der jetzt wieder an der Reihe war, versuchte es nochmals mit der PORTA GAYOLA, was diesmal gut funktionierte und er noch zwei LARGAS CAMBIADAS anfügen konnte.
Hervorragend wieder wie er die BANDERILLAS setzte. Schwierig dann die FAENA, da der Victorino geradezu zum Angreifen überredet werden musste. Der TORO lernte schnell und suchte den Mann, fand ihn auch, was eine sehr heftige VOLTERETA zur Folge hatte. Trotzdem hatte Escribano den Stier weitgehendst im Griff und ein OREJA war in Reichweite. Leider war die Arbeit mit dem Degen mangelhaft, sodass nur eine VUELTA heraussprang. Aber es war eine emotionalisierende LIDIA. Was mir bei Escribano nicht gefällt ,sind Szenen voller Theatralik. Als der TORO leider partout nicht sterben wollte, was bei Victorinos oft der Fall ist, liess er sich publikumswirksam gegen die BARRERA fallen, sank auf den ESTRIBO nieder, wo er, das Haupt “voll Leid und Wunden”, in die Hände gestützt verharrte und sein Leiden zur Schau stellte. Weil er so ein fescher Bursche ist, aber wohl auch wegen solch theatralischer Momente, scheint er ein Mädchenschwarm zu sein. So traten dann zu seiner VUELTA die bereits während des SORTEOS über ihn referierende Jungaficionada und andere “Backfische” in´s RUEDO und überreichten ihm einen Blumenstrauss, wie seiner Zeit es schon Roy Black in der ZDF-Hitparade erleben durfte. Wenn er in der Nacht nicht noch weiter reisen musste, ging da bestimmt noch was. Honni soit qui mal y pense!
Mit dem nächsten TORO konnte Jimenez Fortes wieder nicht so richtig brillieren. Nach einer erneuten VOLTERETA hing dem Tier eine Weile lang die MULETA über dem rechten Horn. Von da ab wusste der Victorino, dass das nicht sein Gegner ist. Er war nicht mehr TOREABLE! Er beobachtete, überlegte, suchte nur noch nach dem Menschen hinter dem Tuch. Wie ein Hai, der Blut gewittert hatte.
Fortes konnte nichts mehr tun, ausser seinen Mut zu beweisen, indem er stehen blieb, wo er besser zurück gewichen wäre. Ganz nah am Stier und frontal in dessen Blickfeld. Gespannte Unruhe in den TENDIDOS. So wagte er auch noch einen DESPLANTE auf den Knien vor den imposanten Hörnern.
Aber ich finde, die Schönheit einer FAENA entsteht im Passieren des Tuches bzw. des TOREROS, in den PASES. Wenn die eine, den Tod bringende, instinktgesteuerte Urgewalt, das andere, ebenso Tod bringende, aber ratiogeleitete Wesen, durch einen Fetzen Stoff gelenkt passiert. Hier kann, dominiert durch den Menschen, im kurzen Moment der Vereinigung, wenn beide auf einer Höhe sind, eine an Ballett oder Tanz erinnernde Kunst entstehen! Das ist das, was ich gerne sehen möchte! Dazu muss der Stier, vor dem Bauch,vor der Brust, unter dem Arm etc. am Menschen vorbei. Ein vor dem TORO “Rummachen”, womit ich jetzt nicht Herrn Fortes meine, befriedigt mich nicht als Zuschauer. Manch berühmte DIESTROS treiben da so ihre Mätzchen und kaschieren mit Schnickschnack und TREMENDISMO, dass sie nicht Herr der Lage sind.
Wie dem auch sei, dadurch,dass der TORO , brandgefährlich geworden, nun nicht mehr zu lidieren war, kam es wie es kommen musste und der MATADOR zog sich eine CORNADA in der rechten Kniekehle zu. Er konnte die LIDIA noch zu Ende führen, wurde mit einer OVACION belohnt, um dann von den Ärzten in die ENFERMERIA beordert zu werden.
Auch Alvaro Lorenzo hatte mit seinem neuen ENEMIGO nun nicht mehr so viel Glück. Der junge Mann war mit dem CAPOTE einen Moment unkonzentriert und machte einen kapitalen Fehler, der glücklicherweise ohne Konsequenzen blieb, ausser, dass auch dieser Victorino jetzt gelernt hatte, lange nachdachte und nach innen, zum TORERO zog. Ohne dass er sich in die QUERENCIA zurück gezogen hat, wurde der Stier ganz defensiv, so dass man seine Angriffe regelrecht aus ihm heraus pressen musste. Doch es gelangen noch zwei Serien sehenswerter MULETAZOS. Wegen zwei DESCABELLOS gab es dann nur eine OVACION.
Die Arbeiten der CUADRILLAS waren von unterschiedlichsten Qualitäten. Die Reiter wurden eigentlich grundsätzlich ausgepfiffen wenn sie ihre Arbeit machten und wenn sie es nicht taten, wurden sie beklatscht. Die BANDERILLEROS waren in LIDIA und im BANDERILLAR verschieden. Einige bekamen Applaus und grüssten mit der MONTERA in den Händen, andere waren richtig schlecht.
Wichtigstes Fazit dieses Abends für mich: Saul Jimenez Fortes gilt es zu beobachten und ich möchte ihn gerne mit Stieren mit besseren Konditionen nochmals sehen. Er bekam gute Kritiken in der Presse aber er sollte bei allem Mut besser auf sich aufpassen. Die Stiere der GANADERIA DURA Victorino Martin brauche ich in dieser Verfassung aus oben genannten Gründen nicht nochmal. Ich wusste, dass es mit ihnen keine Trophäen regnen würde, aber die Exemplare dieses TARDE waren kompliziert, ohne Ausdauer,schwach in den Beinen und schlecht zu dominieren und somit zu torerieren.
Übrigens, urteilte die Fachpresse gar nicht so hart wie ich über die Stiere. Also, was weiss ich schon?!
Beim späteren Abendspaziergang kamen wir zufälligerweise am Hotel vorbei, in welchem Fortes und seine Truppe einquartiert waren. Der MOZO DE ESPADA und der Chauffeur beluden gerade den Van und ich frug, ob es dem MAESTRO denn gut ginge. Die beiden sagten, dass er wieder im Hotel und alles in Ordnung sei. Die CORNADA war also nicht schlimm. Ich wünschte ihm für die Zukunft viel Glück, wofür sich beide sehr herzlich bedankten. Komischerweise hatte ich schon öfter die Unterkünfte der TOREROS “aufgespürt” während die GUADRILLAS ein- oder auspackten. Jedes Mal, wenn ich etwa 100 Meter weiter gegangen bin ärgere ich mich dann, dass ich ,wegen meiner geringen Spanischfähigkeiten kein weiterführendes Gespräch anfange. Ich muss mir da mal ein paar Sätze für die Zukunft zurecht legen.