! Anya Bartels Suermond : Zunächst muss man einmal sagen, dass die Beziehung zum Stierkampf nicht von der Nationalität oder dem Geschlecht ausgeht, sondern von einer Sensibilität für die Kultur eines Landes. Man muss bereit sein, sich auf die Kultur, die Traditionen eines Landes einzulassen. Und dies habe ich stets auf meinen Reisen getan. Man muss eine Kirche, eine einheimische Bar und eine kulturelle Veranstaltung besuchen, um sich einen wirklichen Eindruck vom Leben der Bevölkerung eines Landes zu verschaffen. Ein Torero hat es einmal so beschrieben - man muss sich einfühlen können. Saber sentir. Somit gehörte der Besuch einer Corrida zu meinem Kulturprogramm, um in Madrid, Land und Leute kennen zu lernen.
? Wie hast Du Deine erste Corrida gesehen und erlebt?
! Anya.Bartels.S.: Mit sechs Jahren habe ich meine erste Corrida gesehen. Meine Eltern haben mich schon früh auf Reisen mit verschiedenen Kulturen und Kultur vertraut gemacht. Als Kind sieht man eine Corrida mit ganz anderen Augen. Alles ist neu, voller Farben, Gerüche und Geräusche.
Das ganze ‘Drumherum’ ist mir im Gedächtnis geblieben, die eigentliche Corrida nicht. Als ich dann nach Madrid kam, wollte ich dieses Erlebnis wiederholen, um zu sehen, ob ich dies überhaupt ertragen könnte. Es war ein faszinierendes Eintauchen in das Meer des Unbekannten. Die Luft, die zu vibrieren scheint. Das Ambiente mit seinen Millionen von Facetten, diese spürbare Leidenschaft der Menschen dort. Danach verselbständigte sich das Ganze. Ans Fotografieren habe ich damals noch nicht gedacht und muss gestehen, dass ich mich nicht einmal an das Cartel erinnere.
? Was hat Dich vom ersten Moment an besonders fasziniert?
! Anya.Bartels.S.: Neben den vorher beschriebenen ‘Nebenwirkungen’ der Fiesta brava beeindruckte mich diese unbedingte Berufung, die diese faszinierenden Persönlichkeiten so vereinnahmt, wie ich es bis dahin nur aus der Welt der Musik kannte. Ein Sänger lebt seine Musik, ein Torero lebt seine Kunst. Dass die Kunst des Toreo und der Flamenco eine ganz besondere Vereinigung eingehen können, hat Paco de Lucia beeindruckend mit viel Sensibilität in seiner Musik gezeigt. Ich fühle mich in dieser Welt zu Hause.
? Du hattest die Gelegenheit beim Ritual des Ankleidens in nächster Nähe der angesehensten Toreros zu sein, diese in intimen Momenten zu fotografieren. Was geht Dir in solchen Momenten durch den Kopf?
! Anya.Bartels.S.: Ich war in erster Linie bei dieser Zeremonie bei meinen Freunden anwesend, das Fotografieren steht da erst an zweiter Stelle. Es ist ein intimer Moment, geprägt von Konzentration und Anspannung.
! Anya.Bartels.S.:Mit der Zeit fiel ich wahrscheinlich im Callejón auf. Auch José Tomás wollte irgendwann wissen, wer ich bin und was ich dort treibe. Und so lud man mich zu einem Abendessen ein, bei dem auch er anwesend war. So habe ich ihn kennengelernt. Ich war schon vorher eine große Anhängerin seiner Kunst. Die erste Corrida mit ihm war einfach „Wow“, eine Offenbarung, wenn man so will. Das kann ich nicht in Worte fassen.
? Was kannst Du uns über Morante erzählen?
! Anya.Bartels.S.: Auch er ist eine charismatische Persönlichkeit und er überrascht uns immer wieder. Wie auch in der Plaza, wo er manchmal einen launischen, weltentrückten Eindruck hinterlässt. Er ist nach einer halben Stunde des Schweigens und Nachdenkens zu überraschenden Äußerungen fähig. Er liebt die Inspiration, geht ihr gern nach. Er ist toll zu fotografieren, sein Gesichtsausdruck ist einzigartig.
Auf manchen Fotos wirkt er etwas ’barock’, aber er ist weit davon entfernt dick zu sein, ganz im Gegenteil.
! Anya.Bartels.S.: Anfangs war es für mich ein ziemliches Durcheinander. Alles ist in Bewegung und man hat ständig das Gefühl, im Weg zu stehen. Aber mit der Zeit kennt man sich aus und beginnt, sich heimisch zu fühlen. Es ist natürlich interessant, wenn man das Geschehen aus nächster Nähe ansehen kann. Diese Nähe macht den Unterschied.
Sitze ich weiter oben in einem Tendido, so habe ich Abstand. Ich kann mich auf die Corrida konzentrieren. Im Callejón ist man so sehr bei allem dabei, dass man von der Corrida selbst mitunter nicht jedes Detail mitbekommt.
? Abgesehen von den Menschen, die im Callejon hin und her laufen, wie fühlt es sich an, einem Stier so nah zu sein?
! Anya.Bartels.S: Die spürbare Präsens ist beeindruckend. Es ist ein magischer Moment, wenn der Toro vor Dir steht und Dich ansieht, dieser Blick geht einem durch und durch. Faszinierend und emotional. Die schönen, sprechenden Augen eines Victorinos, die langen Wimpern, die dunklen Augen umrandet, als wären sie geschminkt. Ein Blick in diese Augen und Du beginnst zu leiden. Für mich und für den Züchter sind die Momente einer misslungenen Estocada die schlimmsten.
! Anya.Bartels.S.: Ich bin kein Profi im eigentlichen Sinn. Durch den Vater meiner Freundin habe ich als Jugendliche einen Einblick in die Fotografie erhalten, aber das ist auch schon alles. Meine Kamera ist aus persönlichen Gründen eine Nikon. Für mich verkörpert eine Nikon „Die“ Kamera.
Ich liebe meine Nikon. Mit anderen Kameras kann ich mich nicht identifizieren.
? Ist es schwierig einen Verlag in Deutschland zu finden, der einen Bildband über eine Kunst, die heute von sehr vielen Deutschen als "Tierquälerei" abgelehnt wird, herausbringt? Ich könnte mir vorstellen, dass radikale Antis zu einem Boykott des Verlages aufrufen.
! Anya.Bartels.S.: Es war sehr schwer einen Verlag zu finden. Es hat aus den bekannten Gründen drei lange Jahre gebraucht, bis sich eine Verlegerin bereit fand. Durch die Autoren der verschiedenen Kommentare zu den Bildern war dieser Band international aufgebaut, so ließ er sich besser präsentieren. Bedauerlicher Weise blieben antitaurinische Angriffe auf Verlag und Autoren nicht aus. Allerdings gab es auch wirklich positive Reaktionen. Manche Menschen haben nach der Betrachtung der Fotos eine Corrida angesehen und waren genau wie ich fasziniert von dieser Welt.
! Anya.Bartels.S.: Ein schönes Foto macht noch lange nicht fotogen. Grade wenn man die Bewegungen des Toreo fotografiert, kommen schon mal unschöne Gesichtszüge zu Tage. Allerdings gibt es auch Toreros, die in jeder Situation eine unglaubliche Ausstrahlung haben, sodass fast jedes Bild ein Treffer ist. Jose Tomas ist, für mich, eines dieser Gesichter.
Über wen ich gerne eine Serie gemacht hätte..., José Miguel Arroyo, ‘Joselito’ und den kürzlich verstorbenen José Mari Manzanares padre. Beide habe ich noch aktiv erlebt, sie haben mich begeistert, jeder auf seine persönliche Art.
! Anya.Bartels.S.: Ich bin ein geborener Optimist, sehe den Fortbestand der Fiesta brava positiv. In keiner anderen Kunstgattung wird die Leidenschaft so intensiv gelebt. Von all dem geht eine Stärke und Leidenschaft aus, die dazu beiträgt, dass diese Kultur, diese spanische Tradition, fortbesteht, davon bin ich überzeugt.
Die Worte: „Ein recht herzliches Dankeschön an die Fotografin, welche gern bereit war, uns ihre Zeit und einige ihrer Fotografien zu schenken“, drückt nicht die Freude aus, die es mir bereitete diese Aficionada kennen zu lernen. Am Tage des Interviews, war sie, wie viele Aficionados, am 12. November, in Madrid, um die Novilleros von Bogota und die Tauromaquia aktiv zu unterstützen, auch dafür möchte ich mich, als Aficionado bedanken. Hier noch weitere Bilder aus der Welt des Flamenco 'CIGALA' - La garganta de arena
Ich werde die Leser über neue Projekte der Künstlerin auf dem Laufenden halten. Anya Bartels Suermond hat auch andere Details unserer Welt fotografiert. Weit gereist, stets interessiert an anderen Kulturen, stellt sie uns auch diese Bilder für Liebhaber der Fotografie zur Verfügung.
Folgende Bildbände sind von Anya Bartels Suermondt erhältlich:
Jose Tomas - Serenata de Amenecer ISBN 9788497856294
Cayetano - Espejos en la Arena ISBN 9788448668790
Corrida - ISBN 9783899103496
Cigala - La Garganta de Arena ISBN 9788497857529