Wann hat man schon mal die Gelegenheit, 6 verschiedene Ganaderias, die alle auf der
gleichen Zuchtbasis züchten, zu sehen. Und mit sechs verschiedenen Toreros, von denen einige als Spezialisten bekannt sind.
Den ersten Toro, Misterioso, 515kg schwer, negro (entrepelado,bragado,meano, was heißt er ist schwarz mit weißen
Stichelhaaren und weißen Flecken unter dem Bauch) aus der Ganaderia Jose
Escolar, wurde Luis Bolivar zugelost. Der Stier erfüllte alle Anforderungen im
Tercio de Varas. Anfangs noch etwas „suelto“, mit erhobenem Kopf unruhig
umherstreifend im Part der Banderillas, bot er sich doch im letzten Tercio dem
Matador an. Mit gutem Schwung und schönem Rhythmus ergab er sich seiner Aufgabe.
Bolivar konnte besonders über die linke Seite eine schöne, in die Tiefe führende Faena herausarbeiten. Ein guter Stier, trotz seiner züchterisch bedingten Eigenarten. Leider hatte der Diestro Probleme mit dem Abschluss, was eine Trophäe ausschloss. Ovation für den Toro der Ganaderia Jose Escolar, Silencio für Luis Bolivar.
Dieser Misterioso war mein Favorit und hätte die Estocada gesessen, wäre ein Oreja für Bolivar sicher gewesen. Ich erlaube mir sogar zu sagen, das dieser Stier für zwei Trophäen gut war. Toro bravo!
Pajarito, aus der Zucht La Quinta, cardeno (grau) war mit 468kg
der der leichteste in der Corrida und Paco Urena hatte es nicht immer einfach,
typisch für diese Encaste. Am Pferd machte sich der Toro ausnehmend gut, während er bei der Faena mit der Muleta nicht immer mitspielte. Die teilweise wütenden Attaken ließ der erfahrene Urena über sich ergehen, sicher führte er den Stier und tötete recibiendo. Auch wenn der Stier etwas „soso“ war,
kommt Unverständnis auf wenn man die Bewertung dieses Paares sieht.
Silencio für Toro und Torero. Ein geiziges Publikum... Paco Urena hätte sein Oreja mehr als verdient, denn der Stier senkte nicht allzu demütig das Haupt, sondern agierte in der Mehrzahl der Faena mit halbhohem Kopf.
Um dann trotzdem so eine gediegene Vorstellung abzuliefern erfordert es Intelligenz, Wissen und Können. Obendrein das Risiko, recibiendo zu töten, bei solch einem Exemplar…Oreja del Ley, meines achtens, für diesen bemerkenswerten Torero.
Mercedario aus der Ganaderia Flor de Jara, mit 563 Kilos der
schwerste Toro, machte es dem Mexikaner Joselito Adame nicht einfach. Wie beinahe alle Toros, die auf dieser Basis gezüchtet werden(Santa Coloma-Albaserrada), bestand er die Prüfung des Picadors ohne Probleme, allerdings ließ sein Eifer bald nach. Auf der rechten Seite gelangen Adame einige schöne aber kurze Muletazos, aber die Chemie schien nicht zu stimmen, was keine Höhepunkte bescherte. Gute Estocada. Silencio für Toro und Torero. Das Ganze wirkte etwas abgehackt und langweilig. Es wäre ein halbherziges Oreja gewesen…
Madrono, cardeno, aus der Zucht Adolfo Martin, war der 513 Kilo
schwere Gegner von Ruben Pinar. Ein komplizierter Vertreter seiner Zucht. Dieser Stier hinterfragte alles. Dies erfordert große Erfahrung. Auch ließ er sich
leicht ablenken, was bei diesen wachen Gesellen typisch ist. Auch Madrono zeigte seine ganze Stärke im Terzio de varas, aber es war ersichtlich das Pinar mit diesem Exemplar wenig anzufangen wusste.
Jede Wette, ein El Cid hätte ihm ein Oreja abgetrotzt.
So gab es Silencio für beide Protagonisten.
Huesino, der Toro für Antonio Nazare aus Sevilla, gezüchtet von Ana Romero, bot ein beeindruckendes Schauspiel am Pferd, aber dann war der 548kg
Toro auch schon geschafft. Nazare bot wirklich sein ganzes Können auf, aber es
war einfach kein Weg zu finden, den Toro zu animieren. Auch dieses Paar wurde durch Schweigen gestraft.
Barrabasillo, 527kg, negro aus der Ganaderia Fraile war der letzte Toro des Nachmittags. Esau Fernandez, der für Martin Escudero einsprang,
hatte sich wohl vorgenommen diese Chance zu nutzen. Gestärkt durch die gute
Erfahrung mit dem Victorino "ESCLAVINO" den er vor kurzem indultiert hat, verstand er es, Tier und Publikum zu berühren. Empfing vertrauensvoll den den Fraile Stier mit der Puertagayola, auf den Knien vor dem Tor des Torils. Esau Fernandez verstand den Toro vorzüglich. Nach zwei Picotazos des Picadors, war Barrabasillos Mütchen etwas gekühlt und der junge Torero belonte ihn mit weichen, nach vorne führenden Muletazos, die dem Stier wieder Vertrauen einflößten und so die Faena zu einem flüssigen Toreo machte. Auch dieser Toro trug den Kopf meist hoch erhoben, was
die Trophäe, welche das strenge Publikum am Ende gewärte, noch wertvoller macht.
Eine Demonstration des „Suerte“, denn Esau Fernandez vertrat Escribano, der
bestimmt auch gut ausgesehen hätte mit diesem guten Exemplar de Frailschen
Zucht. Ein Torero, der, wie sich zeigt viel Verständnis für diese schwierige
Encaste hat, sensibel mit dem Stier umzugehen weiß. Und auch kein Risiko scheut, wie er bewiesen hat. En hora buena – Glückwunsch!
Fazit: Für Aficionados wie mich, die sich sehr für Stiere und
deren Zucht interessieren, ein interessanter Event. Für Toreistas nicht
unbedingt ein künstlerischer Hochgenuss, eher gediegene Arbeit. Aber grade diese Arbeit fordert vom Torero ein hohes Maß an Sensibilität, Einfühlungsvermögen, Intelligenz, Flexibilität und Konzentration. Nicht jeder Torero verfügt über diese Qualitäten, manche machen es sich mit den sogenannten Designerstieren zu einfach. Wenn sie dann mal einem Toro bravo gegenüber stehen, geben sie mitunter ein trauriges Bild ab.
Die Ganaderos, die Züchter dieser speziellen Zuchtlinien, die sich heute präsentierten, dürfen auch ohne großen Applaus zufrieden sein.
Was nämlich fehlt, sind Toreros, die mit diesen Toros umzugehen wissen. Diese
Stiere wurden seit Jahrhunderten selektiert, ähnlich wie die Rennpferdezucht. Es ist etwas Besonderes, erhaltenswertes. Vor allem haben sie trotz aller Selektion durch den Menschen nicht ihre Ursprünglichkeit verloren, ihre Angriffslust und Härte, wie sich besonders im Tercio de varas zeigt. Und sie sind intelligenter geworden – sie gehen nicht grundlos auf alles los, sie wägen ab, bevor sie ihren Gegner attakieren. Sie geben nicht demütig auf, nein, die meisten tragen den Kopf hoch, das Maul geschlossen, bis zum Ende.
Für mich war der Toro der Ganaderia Escolar der Beste und der Name Esau Fernandez wird in meinem Gedächtnis bleiben.
(Fotos Mundotoro)